Für Sparer, Hypo-Zinsen und die Sommerferien
Das bedeutet der EZB-Zinsschritt für die Schweiz

Mit der Anhebung der Leitzinsen um kräftige 0,5 Prozentpunkte geht die EZB weiter als erwartet. Doch wie sind Sparer, Hausbesitzerinnen und Ferienreisende in der Schweiz davon betroffen? Blick liefert Antworten auf die drängendsten Fragen.
Publiziert: 22.07.2022 um 00:11 Uhr
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Aktualisiert: 22.07.2022 um 09:25 Uhr
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EZB-Chefin Christine Lagarde hat die Leitzinsen am Donnerstag um 0,5 Prozentpunkte erhöht.
Foto: imago images/Sven Simon
Levin Stamm

Die Europäische Zentralbank (EZB) sagt der hochschiessenden Inflation in der Eurozone den Kampf an. Zwar galt die erste Erhöhung der Leitzinsen seit 2011 als ausgemachte Sache, doch mit der starken Anhebung um 0,5 Prozentpunkte haben Präsidentin Christine Lagarde (66) und der EZB-Rat dann doch überrascht.

Die in Frankfurt (D) beschlossene Zinswende ist auch für die Schweiz von grosser Bedeutung. Die Volkswirtschaften der Schweiz und der Eurozone sind eng miteinander verflochten. Deutschland gilt nach wie vor als wichtigster Handelspartner der Schweiz. Blick zeigt auf, was der europäische Zinsschritt für Schweizer Sparer, Hausbesitzerinnen und Ferienreisende bedeutet.

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Zumindest nicht unmittelbar. Zwar dürfte die Zinserhöhung den Franken gegenüber dem Euro schwächen. Denn: Mit höheren Zinsen nimmt das Volumen ausländischer Investitionen zu, dementsprechend erhöht sich die Nachfrage nach der europäischen Währung. Als Folge wertet sich der Euro im Vergleich zum Franken auf.

Bis sich die geldpolitische Wende auf die Inflationsrate und den Wechselkurs auswirkt, könnten allerdings Monate vergehen. Es ist also nicht anzunehmen, dass der EZB-Entscheid vom Donnerstag die diesjährigen Sommerferien in Italien oder Spanien für Schweizerinnen und Schweizer massiv verteuert. Doch sobald der Euro gegenüber dem Franken wieder anzieht, dürften auch Schweizer Reisende die EU-Inflation deutlich zu spüren bekommen.

Was bedeuten höhere Zinsen in der Eurozone für meine Sparkonten?

Auch hier sind Bankkundinnen und -kunden aus der Schweiz nicht direkt betroffen. Trotzdem könnte der Entscheid der europäischen Währungshüter das Horten von Geld auf Sparkonten mittelfristig wieder attraktiver machen.

Denn die starke Anhebung der Zinsen in der Eurozone wird wohl auch bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zu einer Strategieanpassung führen. «Ihr Spielraum vergrössert sich jetzt wieder», sagt Volkswirtschaftsprofessor Reto Föllmi (46) von der Universität St. Gallen.

Weil mit dem gestärkten Euro das Risiko einer krassen Franken-Überwertung abnehmen dürfte, können SNB-Präsident Thomas Jordan (59) und Co. den von Experten in Aussicht gestellten Zinsschritt im September unbeschwerter durchführen. Und mit höheren Leitzinsen dürften Banken ihren Kundinnen und Kunden schon bald wieder verbesserte Sparzinsen in Aussicht stellen – so geschehen schon vor einem Monat nach der SNB-Zinswende.

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Gehen die Hypo-Zinsen jetzt durch die Decke?

Immobilienexperte Donato Scognamiglio (52) glaubt, dass die SNB nach der Zinserhöhung in der Eurozone ebenfalls wieder nachziehen wird. Kurz nach der Zinswende in der Schweiz sagte er im Blick: «Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Zinsen noch weiter ansteigen werden.»

Weil die Anhebung um 0,5 Prozentpunkte in der Eurozone unerwartet stark ausfällt, dürften auch Hypothekarzinsen eine weitere Steigerung erleben. Entlastend wirkt, dass Banken in der Schweiz und Europa die Zinswende vorausgesehen und schon vorweggenommen haben: Die Hypo-Zinsen in der Schweiz sind bereits Anfang Jahr angestiegen – noch vor den Zinsschritten der Notenbanken. Mit einer starken Steigerung ist nach dem EZB-Entscheid demnach nicht zu rechnen. Das kommt vor allem Haushalten ohne Reserven zu Gute.

Wie ist die Schweizer Export-Industrie betroffen?

In der Vergangenheit beklagte sich die Schweizer Exportindustrie stetig über den starken Franken – so etwa bei der Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Januar 2015. Jetzt ist die Parität zwischen Franken und Euro wieder Tatsache. Beschwerden sind aktuell aber kaum zu hören – mit Ausnahme von Stadler-Rail-Patron Peter Spuhler (63), der sich nach dem SNB-Zinsschritt fragte, was die Experten bei der SNB «geraucht» hätten.

Trotzdem dürften Schweizer Exporteure den EZB-Entscheid mit Wohlwollen aufnehmen. Damit steht die SNB im europäischen Vergleich nämlich nicht mehr alleine da. Noch vor einer Woche sagte Swissmem-Vizepräsident Jean-Philippe Kohl (56) zu Blick: «Würde die Europäische Zentralbank mit der Zinserhöhung endlich nachziehen, hätte das auch eine dämpfende Wirkung auf den Franken.»

Genau das dürfte in den nächsten Wochen vonstattengehen und beim Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie für zusätzliche Entspannung sorgen.

Und was bedeutet der Entscheid für die Importeure?

Für sie kommt mit dem Zinsschritt der EZB ein weiterer Sorgenposten hinzu. Denn der starke Franken gegenüber dem Euro macht die Einfuhr von Waren aus der Eurozone günstiger und damit attraktiver. Doch in turbulenten Zeiten mit rekordhohen Inflationsraten ist selbst das kein richtiger Trumpf mehr. «Die Inflation im Euro-Raum frisst uns jeden Wechselprofit weg!», sagte Kaspar Engeli (58), Direktor des Dachverbands Handel Schweiz, erst kürzlich gegenüber Blick. Ausufernde Transportkosten, gestörte Lieferketten und der Fachkräftemangel liegen ihm und seinen Mitgliedern auf den Magen. Jetzt dürfte auch noch ein erstarkender Euro dazukommen.

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