Wegen schlechten Empfangs in der Bussen-Falle: das passiert Zuggästen an gewissen Bahnhöfen in der Schweiz immer wieder. Denn harzt es beim Mobilfunknetz, dauert auch der Kauf des E-Billetts etwas länger. Fährt der Zug bereits einige Sekunden vor der Bestätigung ab, ist man Schwarzfahrer. Ausnahmslos. Das sorgt bei Kunden und Konsumentenschutz für rote Köpfe. Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, überarbeitet der Branchenverband Alliance Swisspass die umstrittene Regelung endlich.
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Das Problem ist längst bekannt. Hans Höhener (76), Ombudsmann öffentlicher Verkehr, führt in den Jahresberichten 2021 und 2022 mehrere Beispiele auf. So etwa auch der Fall eines Vaters und Sohnes, die ihre Billetts zeitgleich kurz vor Abfahrt des Zuges kauften. Beim Sohn wurde der Kauf 24 Sekunden zu spät in der App bestätigt. Er musste 90 Franken Zuschlag bezahlen. Denn nach den Tarifbestimmungen T600 von Alliance Swisspass ist ein Billett bereits eine Sekunde nach der tatsächlichen Abfahrtszeit ungültig.
Egal ob Vorsatz oder Versehen
Ob Vorsatz oder Versehen, spielt dabei keine Rolle. Auch dürfen Zugbegleiterinnen und -begleiter nicht über die Kulanz entscheiden. So wollen die SBB und andere ÖV-Betriebe Willkür vorbeugen und das Personal entlasten. Und auch wenn das Kundencenter der SBB danach kulanterweise auf einen Zuschlag verzichtet, fällt dennoch eine Bearbeitungsgebühr von 30 Franken an.
Wie es anders geht, zeigt der Fernverkehr nach Deutschland: Hier haben Fahrgäste bis zu zehn Minuten nach der Abfahrt Zeit, um ein Billett lösen. Die Regelung wurde Anfang 2022 als Ersatz für den Billettkauf im Zug eingeführt. Auch im Schweizer ÖV ist es nicht mehr möglich, beim Zugbegleiter ein Billett zu kaufen. Im Gegensatz zu Deutschland fehlt aber ein neues Modell, das mehr Toleranz erlaubt.
Konsumentenschutz und Ombudsmann fordern neue Lösung
Alliance Swiss Pass begründet dieses Manko erstens mit dem Zeitlimit im Orts- und Regionalverkehr. Wenn etwa ein Tram schon nach 30 Sekunden an der nächsten Haltestelle ankommt, könnten Fahrgäste über kurze Distanz einen Billettkauf umgehen. Zweitens sollen Fahrgäste nicht zwischen Orts- und Fernverkehr unterscheiden müssen. Der Verband bestätigt aber auch, dass es bei einigen Transportunternehmen immer noch möglich sei, das Billett nach der Abfahrt im Fahrzeug zu lösen.
Der Konsumentenschutz zeigt «gar kein Verständnis» für die Schweizer Regelung. «Aus Spargründen wird möglichst viel digitalisiert, und dann wird das derart kundenunfreundlich umgesetzt», sagt Geschäftsleiterin Sara Stalder (57). Sie fordert, dass Fahrgäste bis zu zwei Minuten nach Abfahrt im Zug ein Billett lösen können, ohne bestraft zu werden.
Auch Ombudsmann Höhener setzt sich für eine Kulanzfrist im Schweizer Fernverkehr ein. Er habe das Anliegen im vergangenen Frühling beim Vorstand des Verbands öffentlicher Verkehr eingebracht. Wie Reto Hügli, Sprecher der Alliance Swiss Pass, bestätigt, würde die zuständige Kommission Vertrieb die Regelung derzeit «bearbeiten». Mehr will er dazu nicht sagen. (sak)