Ex-SBB-Chef Weibel kritisiert Nachtzüge
«Klimaschädlich und teuer»

Die Nachtzüge sind im Transportwesen ein Symbol der Klimabewegung. Doch hohe Preise und wenig Chancen auf Rentabilität sorgen für viel Kritik – unter anderem vom früheren SBB-Chef Benedikt Weibel.
Publiziert: 13.12.2023 um 16:13 Uhr
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Ein Nightjet der ÖBB: Die Fahrt im Nachtzug wird aufgrund einer Änderung des Preissystems deutlich teurer.
Foto: AFP
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

In den letzten Jahren haben Nachtzüge eine wahre Renaissance erlebt. Entschleunigtes und nachhaltiges Reisen per Zug ist im Trend.

Doch die Österreichische Bundesbahn (ÖBB), die ab der Schweiz mehrere Nachtzüge anbietet, sorgt jetzt für negative Schlagzeilen. Wie der Schweizer Bahnblog night-ride.ch als Erster festhielt, haben die ÖBB mit dem Fahrplanwechsel ein neues Preissystem eingeführt.

Dieses führt zu massiven Preissteigerungen. Das neue System setzt auf «Preisspannen», die sich an der Nachfrage orientieren, also auf ein «Dynamic Pricing»-System. Dadurch ist es an verkehrsschwachen Tagen möglich, günstiger als bisher im Nachtzug zu reisen. Allerdings steigen die Preise an verkehrsstarken Tagen sowie in höheren Kategorien massiv an.

Eine Auswertung von night-ride.ch zu Preisen in diversen Kategorien und an unterschiedlichen Tagen zeigt: Der durchschnittliche Preis liegt um bis zu 184 Prozent über dem zuvor verlangten Preis. In praktisch jedem Beispiel liegt der durchschnittliche Preis höher als vor dem Systemwechsel.

Weder rentabel noch nachhaltig

Kann so das von Klimaschützern geforderte Ziel eines breiten Umstiegs von Flug auf Zug gelingen? 

Der frühere SBB-Chef Benedikt Weibel (77) wiederholt in einem Interview im «Tages-Anzeiger» Kritik an Nachtzügen, die er schon 2021 in seinem Buch «Wir Mobilitätsmenschen – Wege und Irrwege zu einem nachhaltigen Verkehr» äusserte.

Der Solothurner sagt, Nachtzüge sollten «keinen einzigen Subventionsfranken» erhalten, zumal es keine ausgewiesene Hebelwirkung beim CO₂-Ausstoss gebe. Im neuen CO₂-Gesetzesvorschlag könnten den SBB bis zu 30 Millionen Subventionsfranken pro Jahr für den Betrieb eigener Nachtzüge zugesprochen werden. Doch für die damit verbundenen Klimaziele trage der Nachtzug in seiner aktuellen Form «nichts» bei, so Weibel.

Gegenüber Blick präzisiert er: «Ein 200 Tonnen schwerer Zug, der 254 Reisende nachts befördert und sonst den ganzen Tag unbenutzt auf einem Abstellgleis steht, ist weder rentabel noch nachhaltig.» Ein 20 Tonnen schwerer Reisebus, der 80 Personen befördere, sei kaum weniger nachhaltig und erst noch günstiger. Deshalb müsse der Subventionsgeber sich überlegen, ob er mit dem Geld nicht anderweitig mehr CO₂ einsparen könne.

Zudem seien die Preise zu hoch, mit denen die ÖBB primär auf umweltbewusste Geschäftsreisende abzielt. «Bei Preisen von teils über 700 Euro für Nachtzugverbindungen nach Wien oder Hamburg fehlt doch der Anreiz für den Umstieg vom Flugzeug auf den Zug», so Weibel. Überdies ist er überzeugt, dass Geschäftsreisen und Nachtzugverkehr nicht zusammenpassen: «Die Nachfrage dafür war immer sehr gering, und wirklich umweltbewusste Geschäftspersonen setzen künftig auf Zoom, Teams und solche Plattformen.»

Es braucht ein neues Nachtzug-Konzept

Grundsätzlich spreche laut Weibel nichts gegen ein touristisches Nachtzug-Angebot, das finanziell aus eigener Kraft tragfähig sei. Damit dies klappt, hat er einen Vorschlag: «Es braucht neues, innovatives Rollmaterial, das für Tagesverkehr umgerüstet werden kann und sowohl für den Nacht- wie für den Tagesverkehr über eine maximale Anzahl Liege- und Sitzplätze verfügt.»

Er weist darauf hin, dass Verbesserungen im Tagesverkehr vordringlich sind. Die von den SBB angedachte neue Bahnlinie von Basel nach London beispielsweise sollte mindestens viermal täglich mit 1000 Sitzplätzen verkehren – innert fünf Stunden könne der Zug via Paris-Charles de Gaulle in London sein. Die Bahn könne nur als «Massentransportmittel» sinnvoll mit anderen Verkehrsmitteln konkurrieren, preislich wie hinsichtlich der Nachhaltigkeit.

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