UBS-Präsident Colm Kelleher (66) wusste es bereits im Oktober 2022: Die Credit Suisse wird keine Zukunft haben. Vor der Übernahme habe die UBS unzählige verschiedene Szenarien durchgespielt, sagte er in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Damals stellte die CS ihren Strategieplan vor. Ab November 2022 hätten dann externe Berater der UBS ihre Arbeit aufgenommen.
Im März 2023 seien schliesslich eine Einsatzzentrale, ein Strategie-Ausschuss im Verwaltungsrat und mit Lukas Gähwiler ein gut vernetzter Schweizer Vizepräsident bereitgestanden. Rückblickend war die Grossbank gemäss Kelleher «bestmöglich» auf die Übernahme der Credit Suisse vorbereitet.
Verhandlungen mit «zögerlicher Braut»
Dennoch habe Kelleher der Atem gestockt, als er den Anruf der Finanzmarktaufsicht Finma erhalten habe. «Ich war zwei Minuten lang sprachlos, obwohl ich ihn erwartet hatte», sagte Kelleher. Seine Gedanken seien bei den Mitarbeitenden der CS gewesen, die die Leidtragenden gewesen seien. «Aber es musste weitergehen: Wir hatten vier Tage Zeit, um einen Deal mit einer zögerlichen Braut hinzukriegen», sagte er.
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Gestockt hätten die Verhandlungen nie. Doch es habe schwierige Momente gegeben, sagte Kelleher. Er habe teils beim Management und den Aufsichtsbehörden interveniert. «Die Finma hat zwischen dem 15. und dem 19. März sehr gute Arbeit geleistet», so der UBS-Präsident.
Die Befugnisse der Finma seien jedoch beschränkt gewesen: «Ich habe schon früher gesagt, dass die Finma meines Erachtens nicht genügend Befugnisse hatte, um die Einhaltung der Vorschriften durchzusetzen», so Kelleher. Nach der Übernahme der CS habe Kelleher Briefe gesichtet, die die Finma dem Verwaltungsrat der CS geschickt hatte. «Diese Briefe zeigen klar auf, wo die Probleme der CS lagen. Hätte ich einen solchen Brief bei einer amerikanischen Bank von einer US-Aufsichtsbehörde bekommen, hätte ich mich anders verhalten», sagte der UBS-Präsident, der zuvor unter anderem für Morgan Stanley arbeitete.
Kelleher gefällt amerikanisches Modell
In Zukunft brauche es neue Instrumente für die Aufsicht. «Wird es eine ‹Doppelspitze› geben, mit einer Aufsichtsbehörde, die der Zentralbank untergestellt ist?» Diese Frage müsse geklärt werden. Ihm persönlich gefalle das amerikanische Modell mit klar definierten Zuständigkeiten: «Die Finanzstabilität ist eine Aufgabe der Zentralbank. Zu einem stabilen Finanzsystem gehört auch die Bankenregulierung.»
Im Interview kritisiert Kelleher zudem die Kultur der ehemaligen CS: «Die Kultur der Credit Suisse in Teilen der Investmentbank war schlecht. Davon zeugen zum Beispiel die Bonuszahlungen.» Es gäbe aber auch Teile der Credit Suisse, die eine starke Kultur hatten – wie die CS Schweiz. (SDA/kae)