Seit dem 19. März 2023 hat der Finanzplatz ein grosses Problem: Sollte die UBS – aus welchen Gründen auch immer – in Schieflage geraten, gibt es keine andere Grossbank mehr, die zu Hilfe eilen könnte. Sollte die UBS taumeln, blieben nur noch der Staat oder der Untergang. Beides gilt es tunlichst zu vermeiden.
Deshalb braucht die Schweiz eine starke Aufsichtsbehörde: «Gute Aufsicht über eine Grossbank ist Erfahrungssache, braucht Mut und ist auch ein bisschen eine Kunst», umreisst ein ehemaliger Grossbanken-Überwacher die grosse Herausforderung der Finanzmarktaufsicht (Finma).
Es begann mit einem Überwacher
Die Überwachung von Grossbanken hat in der Schweiz eine kurze Tradition. Bis zum Vollzug der Fusion von Bankgesellschaft und Bankverein zur UBS im Jahr 1998 überwachte bei der Aufsicht gerade mal eine Person die grossen Finanzinstitute. «Ein Witz», wie der Basler Ökonomieprofessor Yvan Lengwiler (60) bemerkt. Lengwiler sass von 2012 bis 2019 im Verwaltungsrat der Finma.
Nach der Fusion kümmerten sich je 5 Leute um die beiden verbleibenden Finanzkolosse UBS und CS. Ein Bestand, der im Laufe der Jahre nur leicht ausgebaut wurde. Immerhin: Das UBS- und das CS-Aufsichtsteam konnten jederzeit auf Spezialteams und andere Experten und Expertinnen innerhalb der Finma zurückgreifen. Als sich das Ende der CS abzeichnete, waren 40 Vollzeitstellen für die Aufsicht über UBS und CS reserviert. Nun sind es sogar 60 Personen, die sich direkt oder indirekt um die Beaufsichtigung der letzten Grossbank UBS kümmern. Allerdings: «Das sind sicher nicht zu viele Leute, die Zahl könnte höher sein», so Lengwiler.
Den UBS-Aufpassern bei der Finma steht ein ganzer Werkzeugkasten zur Verfügung. Angefangen von Überwachungsinstrumenten, Vor-Ort-Kontrollen bis hin zu Sanktionsmassnahmen. Das wichtigste Instrument eines Aufsehers ist aber seine persönliche Integrität, wie ein ehemaliger Grossbankenaufseher im Gespräch mit Blick verrät. «Es braucht auf Seite der Aufsicht Leute, die genügend Erfahrung haben, um auch einem dominanten CEO Paroli bieten zu können.»
«Der Job braucht Rückgrat»
Denn neben der Analyse von externen und internen Daten und Berichten zum Zustand der Bank ist das persönliche Gespräch ein wichtiges Instrument der Aufsicht. Deshalb treffen sich die Aufseher regelmässig mit dem Verwaltungsrat, der Geschäftsleitung und anderen Entscheidungsträgern der Bank zum Austausch.
Wenn die Aufsicht den Finger auf wunde Punkte legt, braucht es einiges an Mut, um standhaft zu bleiben: «Hier der scheinbar kleine Aufseher aus Bern, der nachbohrt, dort der mächtige Chef von der Zürcher Bahnhofstrasse – so eine Begegnung hat schon etwas Asymmetrisches», sagt der ehemalige Bankenkontrolleur. «Der Job des Aufsehers braucht Rückgrat und starke Nerven. Nur so ist ein Gespräch auf Augenhöhe möglich.»
Gerade bei der CS gab es offenbar immer wieder Ausnahmen und Erleichterungen, ist am Finanzplatz zu vernehmen. Gegen Verfügungen der Finma ergriff die Bank häufig Rechtsmittel: «Die CS verhielt sich gegenüber der Finma sehr renitent», sagt Lengwiler. «Mit ihren Einsprachen gegen die Verfügungen versuchte sie, die Aufsichtsbehörde auszubremsen.»
Arbeitsteilung bei der Aufsicht
Als einziger bedeutender Finanzplatz kennt die Schweiz eine Besonderheit: Es gibt auch einen intensiven Austausch mit der Revisionsgesellschaft der Bank. Diese übernimmt sogar einen Teil der aufsichtsrechtlichen Prüfungen, dient als verlängerter Arm der Finma. «Dafür werden wir im Ausland oft kritisiert und verkaufen uns vermutlich zu schlecht», sagt Oliver Buschan (51), der bei der Schweizerischen Bankiervereinigung für Finanzmarkt und Regulierung zuständig ist. «Das Modell ist aber sehr kosteneffizient. Denn so bezahlt die UBS selbst für einen Teil der sie betreffenden aufsichtsrechtlichen Kontrollen.» Allerdings muss auch Buschan eingestehen: «Ganz konfliktfrei ist diese Zusammenarbeit nicht.»
Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit ausländischen Aufsichtsbehörden. Denn diese haben ebenso wie die Finma ein grosses Interesse, dass bei den Tochtergesellschaften ausländischer Banken alles mit rechten Dingen zu- und hergeht. «Ich war während meiner Tätigkeit bei der Finma oft in London, New York oder Hongkong, habe dort dem Investmentbanking auf die Finger geschaut und mich mit den lokalen Behörden ausgetauscht», erzählt der ehemalige Aufseher. «Dank dieses Austausches ist eine umfassende globale Abdeckung möglich.»
Rekursoptionen einschränken
Wenn bei der Aufsicht die Alarmglocken klingeln, dann fährt sie bei der Bank ein. Kann eine Vor-Ort-Kontrolle durchführen, die Daten der Bank vertieft prüfen, sich in einem ausgemachten Risikobereich bis auf den Grund durchwühlen. «Das ist für die Bank sehr aufwendig und teuer, denn auf ihrer Seite sind sehr viele Personen involviert», sagt der Ex-Finma-Mann. «Alleine das hat einen gewissen Abschreckungseffekt, denn keine Bank zahlt diese Kosten gerne. Diese Untersuchungen haben oft fast schon den Charakter einer Busse.»
Bei der CS hat das alles nichts genützt. Was muss sich für die Finma verbessern, damit die UBS nicht das gleiche Schicksal erleidet? «Der Instanzenweg für Rekurse gegen Verfügungen sollte stark verkürzt werden», sagt Lengwiler. «Zudem braucht es progressive Bussen, wie das Ausland sie kennt.» Diese geben einer Bank zum Beispiel zehn Tage Zeit, eine Massnahme umzusetzen. Tut sie das nicht, kostet jeder Tag Verzögerung eine Million Franken. Das dürfte auch einer Grossbank mit der Zeit wehtun.