Auf einen Blick
- Idee: Blockierte russische Zentralbankgelder für Ukraine-Unterstützung nutzen
- 300 Milliarden Dollar russischer Zentralbank eingefroren, grosser Teil davon in der EU
- Schweizer Politiker: Kein Geld für Militärhilfe, aber uneinig über Beschlagnahmung für Ukraine
Donald Trump (78) macht Ernst: Der US-Präsident stoppt die Militärhilfe für die Ukraine. Für Europa stellt sich damit die Frage: Wie soll die Lücke gefüllt werden, die der Rückzug der USA in der Verteidigungsfähigkeit des angegriffenen Landes hinterlässt?
Schon lange gibt es die Idee, blockierte Gelder der russischen Zentralbank für Waffen für die Ukraine oder den Wiederaufbau nach dem Krieg zu verwenden. Diese Pläne erhalten nun neuen Auftrieb, wie die «New York Times» berichtet.
Doch um wie viel Geld geht es, wo liegt es und ist eine Beschlagnahmung überhaupt rechtlich möglich? Und was hat das Ganze mit der Schweiz zu tun?
300 Milliarden Dollar blockiert
Der Hintergrund: Neben Vermögenswerten von Oligarchen und Firmen froren verschiedene Länder seit dem russischen Angriff auf die Ukraine 300 Milliarden Dollar ein, die der russischen Zentralbank gehören. Davon liegen laut der EU-Kommission etwa 210 Milliarden Euro bei Finanzinstituten in der EU. 7,2 Milliarden Franken sind laut Seco bei Schweizer Banken angelegt.
Auch wenn die USA nicht mitmachen würden, liesse sich mit dem Geld ein riesiges Hilfspaket schnüren. Doch in der EU und in der Schweiz gibt es Bedenken, ob eine Enteignung der russischen Zentralbank völkerrechtlich möglich ist.
EU liess legale Grundlagen abklären
Die EU liess 2024 eine Studie erstellen, um die rechtlichen Grundlagen für eine Beschlagnahmung russischen Staatsvermögens für den Wiederaufbau der Ukraine auszuloten. Die Studienautoren schreiben, dass Massnahmen zur Enteignung der Zentralbank das Völkerrecht verletzten könnten. Als weniger riskant sehen sie zeitlich begrenzte und rückgängig machbare Massnahmen. Andere Analysen betrachten eine Konfiszierung aller gesperrten Vermögen als völkerrechtskonform, wie die «NZZ» berichtete.
Allerdings ging es dabei jeweils um den Wiederaufbau der Ukraine. Die Vereinten Nationen schätzen die Kosten dafür auf über 500 Milliarden Dollar. Die G7-Staaten beschlossen, die russischen Gelder so lange zurückzuhalten, bis Russland den Schaden beglichen hat.
Bei der Konfiszierung hält sich die EU bisher zurück: Die Mitgliedsländer beschlossen 2024, dass die Zinserträge, die das blockierte russische Staatsvermögen abwirft, der Ukraine zugutekommen sollen. Das sei völkerrechtlich weniger heikel als die Beschlagnahmung der Zentralbankgelder selbst. 90 Prozent der jährlich etwa 3 Milliarden Euro, die so zusammenkommen, fliessen in die Militärhilfe, wie das deutsche Fernsehen ZDF berichtete.
Kein Geld für den Krieg aus der Schweiz
Wegen der Neutralität komme Militärhilfe für die Schweiz nicht infrage, sagt Nationalrat Fabian Molina (34) zu Blick. Doch bei einer mit der EU vergleichbaren Schweizer Rechtsgrundlage würden «jährlich 100 bis 200 Millionen Franken für den Wiederaufbau der Ukraine zur Verfügung stehen.» Für den SP-Aussenpolitiker ist klar: «Die Schweiz kann und muss die zivile Unterstützung nach dem Rückzug der USA deutlich ausbauen.»
Die Schweiz müsse im Rahmen des Völkerrechts handeln, sagt FDP-Nationalrat Laurent Wehrli (59), Präsident der aussenpolitischen Kommission, im Gespräch mit Blick. Eine Verwendung der blockierten Gelder für den Wiederaufbau wäre «aus rechtlicher und auch aus politischer Sicht sinnvoller», so Wehrli. «Eines ist sicher, diese blockierten Gelder werden nicht für alles reichen: Fortsetzung des Krieges und Wiederaufbau.»
SVP-Nationalrat Franz Grüter (61), der ebenfalls in der aussenpolitischen Kommission sitzt, betont auf Blick-Anfrage: «Jegliche Militärhilfe, ob direkt oder indirekt, verstösst gegen die verfassungsmässige Neutralität der Schweiz. Insofern lehnen wir auch die Beschlagnahmung von russischen Geldern ab.»
Andere Situation als in der EU
Genau gleich wie die EU kann es die Schweiz ohnehin nicht machen. Hierzulande wird das russische Zentralbankgeld bei normalen Geschäftsbanken aufbewahrt und nicht bei einem Zentralverwahrer wie in der EU. «Entsprechend auch keine ausserordentlichen Erträge», sagt eine Seco-Sprecherin. Und es sind genau diese Erträge, die die EU heute für die Ukraine verwendet.
Zur Diskussion um die russischen Zentralbankgelder hält das Seco fest: «Aus Sicht der Schweiz ist es von entscheidender Bedeutung, dass jeder international vereinbarte Ansatz den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und des Völkerrechts in vollem Umfang entspricht und die Finanzstabilität bewahrt.»