Im Oval Office kam es am Freitag zu einem historischen Eklat zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (47) und Donald Trump (78). Eigentlich hätte Selenski einen wichtigen Vertrag über den Abbau seltener Erden unterzeichnen sollen. Stattdessen wurde er praktisch aus dem Weisse Haus geschmissen.
Jetzt macht Donald Trump ernst – per sofort. Vorläufig sind alle Militärhilfen an die Ukraine gestrichen. Sogar die letzten Munitions- und Ausrüstungslieferungen, die noch während der Biden-Regierung genehmigt wurden und sich zum Teil noch in Polen befinden, werden gestoppt. Blick erklärt, was das für die Ukraine bedeutet.
Was ändert sich auf dem Schlachtfeld?
Die Entwicklung des Kräfteverhältnisses in der Ukraine hängt stark von Waffenlieferungen aus dem Ausland ab. «Wir werden eine geringe Chance haben, ohne die Unterstützung der Vereinigten Staaten zu überleben», sagte Selenski selbst am 16. Februar in einem Interview mit dem US-Fernsehsender NBC. Ohne die Unterstützung der USA werde die Verteidigung der Ukraine «sehr, sehr, sehr schwierig», so der ukrainische Präsident.
Donald Trump sagte schon am Freitag, nach dem Streit im Weissen Haus, über Selenski: «Ohne uns wird er nicht gewinnen.»
«Europa kann einen grossen Teil des Bedarfs der Ukraine an Artilleriemunition decken, wenn man ihn mit der bereits Anfang des Jahres von den USA gelieferten Munition kombiniert», sagte Michael Kofman (43) von der Carnegie Stiftung für internationalen Frieden gegenüber dem «Wall Street Journal». «Die Herausforderungen werden mit Beginn des Sommers deutlicher sichtbar werden.»
Was haben die USA bisher beigesteuert?
Die USA stellen der Ukraine das gesamte Spektrum an militärischer Ausrüstung zur Verfügung. Dies geht von schweren Waffen wie Panzern über Munition wie Artilleriegranaten bis hin zu medizinischen Vorräten oder Kälteausrüstung.
Besonders wichtig sind aber zwei Punkte: Einerseits stellen die USA moderne Waffensysteme zur Verfügung, die für die Verteidigung der ukrainischen Zivilbevölkerung essenziell sind. Dazu zählen die beiden Raketensysteme Atacms und Himars sowie Patriot, ein bodengestütztes Flugabwehrraketen-System. Damit können Flugzeuge, Marschflugkörper oder Mittelstreckenraketen abgewehrt werden. Für die Truppen an der Frontlinie ist auch der Internetzugang über Elon Musks (53) «Starlink»-System wichtig.
Andererseits liefern die USA sehr wichtige Geheimdienstinformation. Im Podcast «Ronzheimer» sagte der deutsche Politikwissenschaftler Peter R. Neumann (50) am Sonntag: «Es geht darum, dass die Ukrainer wissen, wo die Russen sitzen.» Viele gezielte Aktionen der Ukrainer seien nur dank US-Informationen möglich. «Die Ukrainer haben bisher profitiert von diesem globalen Spionagenetzwerk, mit dem die Amerikaner, wie kein anderes Land in der Welt, jedes Land der Welt ausspionieren können.»
Wie sieht es zahlenmässig aus?
Das «Kiel Instituts für Weltwirtschaft» dokumentiert die Unterstützung der Ukraine seit Beginn des Kriegs vor mehr als drei Jahren. Insgesamt haben die europäischen Staaten die Ukraine finanziell stärker unterstützt, wobei die USA mehr Militärhilfe geleistet haben. Europa hat insgesamt 70 Milliarden Euro an finanzieller und humanitärer Hilfe bereitgestellt, die USA 50 Milliarden Euro. Militärische Hilfe haben die Europäer im Umfang von 62 Milliarden Euro geleistet, die USA jedoch 64 Milliarden Euro.
Was kann Europa ersetzen?
Finanziell könnten sich die europäischen Staaten stärker engagieren und auch militärisch gewisse Ausfälle der USA kompensieren. Am Sonntag kündigte der britische Premierminister Keir Starmer (62) an, dass er der Ukraine den Kauf von mehr als 5000 Flugabwehrraketen vom Typ LMM ermöglichen will.
Die Ukraine konnte ihre eigene Verteidigungsindustrie in den letzten Jahren ausbauen. Ein herausragendes Beispiel ist die Produktion von Drohnen. Hier konnte die Produktion seit Beginn des Krieges vor drei Jahren um das 100-fache gesteigert werden, wie Experten des amerikanischen «Centers for Strategic & International Studies» schreiben.
Was können die Europäer nicht leisten?
Grosse Lücken klaffen etwa im Bereich der Luftverteidigung wie auch bei der Geheimdienst-Infrastruktur, etwa Aufklärungssatelliten. Politikwissenschaftler Neumann sagt es so: «Europa ist nackt.» Die Europäer könnten die Leistung der Amerikaner nicht von heute auf morgen ersetzen. «Wenn wir wollen, dass Putin nicht morgen im Rest der Ukraine einmarschiert, dann brauchen wir nach wie vor die Amerikaner.» Die Europäer hätten es in den letzten Jahren klar versäumt, stärker eigene Kapazitäten aufzubauen.
Die Experten des «Centers for Strategic & International Studies» erwarten ohne Hilfe der USA ein Ausbluten der Ukraine. Russische Angriffe könnten immer mehr Gebiete erobern. Irgendwann würden die ukrainischen Linien brechen. «Die Ukraine wird einen ungünstigen, ja drakonischen Frieden akzeptieren müssen.»