Trotz rekordtiefer Arbeitslosigkeit
Gewerkschaften fordern Reallohnerhöhungen und Teuerungsausgleich

Die Gewerkschaften machen zum Jahresbeginn eine Kampfansage an die Wirtschaft. Sie fordern höhere Löhne, besonders für Frauen, sowie einen automatischen Teuerungsausgleich.
Publiziert: 09.01.2023 um 10:48 Uhr
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Aktualisiert: 09.01.2023 um 11:29 Uhr
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SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard und Unia-Präsidentin Vania Alleva an einer Demonstration in Zürich. (Archivbild)
Foto: keystone-sda.ch

Trotz rekordtiefer Arbeitslosigkeit von 2,2 Prozent ist für die Arbeitnehmenden laut den Gewerkschaften nicht alles im grünen Bereich. Die Arbeitsplatzsicherheit alleine bringt nichts, wenn der Lohn trotzdem nicht zum Leben reicht, so die Gewerkschaften. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) forderte an seiner Jahresmedienkonferenz am Montagmorgen für das neue Jahr denn auch Reallohnerhöhungen und einen automatischen Teuerungsausgleich.

Man anerkenne zwar die Anhebung der Löhne für dieses Jahr in vielen Branchen. Allerdings gehe auch die Lohnschere auseinander. So hätten die Berufstätigen mit unteren und mittleren Löhnen heute real weniger Lohn als 2016. Aufwärts gegangen sei es nur bei den obersten zehn Prozent.

SGB-Chefökonom Daniel Lampart (53) forderte an der Medienkonferenz mindestens 5000 Franken Monatslohn für Berufstätige mit Lehre und mindestens 4500 Franken für alle.

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Wir Frauen sind hässig.
Unia-Präsidentin Vania Alleva
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Reallohnerhöhungen und ein automatischer Teuerungsausgleich wären für die Unternehmen verkraftbar, argumentiert der SGB. Die konjunkturellen Aussichten hätten sich nach zwei Jahren Corona-Pandemie wieder etwas verbessert. Das Geld für ein würdiges Leben für alle sei vorhanden. Schliesslich gehöre die Schweiz zu den reichsten Ländern der Welt.

In den Lohnverhandlungen habe sich gezeigt, dass die Arbeitgeber zwar die Preise erhöhten, bei den Löhnen aber kleinlich budgetierten. Doch die Kaufkraft müsse weltweit mit der Produktion Schritt halten, sonst fehle die Nachfrage, warnt der Gewerkschaftsbund. In den meisten Ländern blieben die Löhne hinter der Teuerung zurück.

Einen besonderen Fokus legen die Gewerkschaften im neuen Jahr auf die Arbeitsmarktsituation der Frauen. «Wir Frauen sind hässig», stellte Unia-Präsidentin Vania Alleva (53) an der Medienkonferenz klar. Bei der Gleichstellung gehe es rückwärts statt vorwärts. «Auch wenn es teilweise positive Lohnrunden gab, können diese die massive Diskriminierung der Frauen nicht bewältigen», kritisierte Alleva.

Pflegende verlassen die Branche

Der Gewerkschaftsbund fordert auch Prämienverbilligungen bei den Krankenkassen. Die Prämienerhöhungen von 6,6 Prozent in diesem Jahr seien ein Schock und für viele untragbar. «Ein Paar mit zwei Kindern wird 2023 erstmals 1000 Franken im Monat für die Prämien zahlen müssen», rechnete Lampart vor.

Auch bei den Arbeitszeiten brauche es eine Trendwende: Statt immer neue Ausnahmen bei den Arbeits- und Ruhezeiten zu fordern, sollten sich die Arbeitgeber wieder an der Arbeitszeitreduktion beteiligen, um den Gesundheitsschutz und das Familienleben der Arbeitnehmenden zu verbessern.

«300 Pflegende pro Monat fliehen aus ihrem Beruf, weil sie nicht mehr können», argumentierte Alleva. Die Folge: überlastete Gesundheitseinrichtungen, sinkende Qualität der Versorgung. Dass die Pflege-Initiative noch nicht umgesetzt sei, bezeichnete sie als «Skandal» und beschuldigte Bund und Kantone, sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben.

Stress im Job wird immer teurer

Mittlerweile sei fast jede dritte berufstätige Person ziemlich oder sehr erschöpft. Das sei nicht nur für die Betroffenen eine leidvolle Entwicklung. Psychische und körperliche Belastungen verursachten auch Gesundheitskosten, so der SGB.

Und diese Kosten zahlten vor allem die Arbeitnehmenden und die Allgemeinheit, weil die Arbeitgeber keinen Beitrag an die Krankenversicherung zahlen müssten, so der Gewerkschaftsbund. Schätzungen zeigten, dass die stress- und arbeitsbedingten Gesundheitskosten mehrere Milliarden Franken betragen.

Arbeitgeber wollen Nacht- und Sonntagsarbeit erleichtern

Politisch sind die Arbeitnehmenden und ihre Arbeitsbedingungen laut SGB seit einiger Zeit regelmässig Angriffen ausgesetzt. Parlamentsvorstösse aus Arbeitgeberkreisen wollten die Erholungs- und Ruhezeiten im Arbeitsgesetz verkürzen.

Sie wollten Nacht- und Sonntagsarbeit ausweiten – neuerdings auch unter dem Vorwand der Energiemangellage. Oder sie wollten die Existenzminima der kantonalen Mindestlöhne unterlaufen, warnt der Gewerkschaftsbund. (SDA/sfa)

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