Jakob R.* ist es sich gewohnt, hart zu arbeiten. Für den Krankenpfleger am Universitätsspital Basel (USB) gehören Nachtschichten und Wochenenddienste zum Alltag. «Aber jetzt müssen wir das Dreifache an Arbeit leisten», erzählt R. im Gespräch mit Blick. Aus Angst vor Konsequenzen möchte er anonym bleiben.
Das Problem: Das Unispital Basel holt kaum noch Temporäre ins Haus, um Spitzen zu brechen und Löcher im Personalbestand zu stopfen. «Mit diesem Schritt treten wir den teilweise ungesunden Entwicklungen im Bereich der Vermittlung der temporären Pflegefachkräfte entgegen», begründet das USB den Schritt.
Fachkräftemangel im Gesundheitswesen
Spitäler vom Temporärpersonal abhängig
Das Unispital ist mit seiner Kampfansage ans Temporärpersonal nicht allein: Alle drei öffentlich-rechtlichen Spitäler im Raum Basel – neben dem Unispital sind dies das Kantonsspital Baselland sowie das Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) – bestätigen auf Anfrage, dass sie beim Temporärpersonal neuerdings auf die Bremse treten. Auch in anderen Regionen, etwa in der Zentralschweiz, läuft es ähnlich.
Im Zuge des Fachkräftemangels haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr Pflegekräfte dazu entschieden, nur noch als Temporäre zu arbeiten: Sie kassieren so mehr Lohn und wählen selber, wann und wie oft sie im Dienst sind.
Das führt in den Spitälern zu einem Zweiklassensystem zwischen Temporären und Festangestellten. «Und gerade im Pflegebereich, wo die Teamarbeit einer der zentralsten Pfeiler ist, ist der Einsatz von Temporärpersonal, das in die jeweiligen Abläufe eingearbeitet werden muss, nicht ideal», ergänzt das USB.
Pfleger liegen mit Covid flach
Statt auf Temporärvermittler zu setzen, gründen oder vergrössern einige Spitäler nun interne Pflegepools, etwa das Basler Kinderspital. Gedacht ist der Pool für Mitarbeitende, die flexibel und in einem kleinen Pensum arbeiten wollen. Andere Spitäler arbeiten nur noch mit ausgewählten Temporärvermittlern zusammen und schliessen mit diesen Rahmenverträge ab, um etwa Lohnexzesse bei der kurzfristigen Rekrutierung zu verhindern.
All dies soll dazu führen, dass die Fachkräfte sich am Spital wieder fest anstellen lassen. So zumindest die Theorie. In der Praxis scheint der Plan bisher nicht aufzugehen. «Ohne Temporäre ist das System nahe am Zusammenbruch», erzählt Pfleger Jakob R. Operationssäle und Betten müssten geschlossen werden, weil das Personal fehle. «Nun kommen die saisonal bedingten Krankheitswellen obendrauf.» Sie führen zu weiteren Ausfällen beim Personal.
Das Universitätsspital Basel bestätigt zwar, dass «je nach Lage» Betten gesperrt werden müssten. Die Versorgung sei aber jederzeit gewährleistet. «Wir nehmen jeden Notfall auf und können elektive Eingriffe innerhalb sinnvoller Fristen durchführen», schreibt das USB dazu.
Joël Lier (31), bei der Gewerkschaft VPOD Basel zuständig für den Bereich Gesundheit, befürchtet, dass die Kehrtwende der Spitäler beim Temporärpersonal zu Kollateralschäden führt. «Der Kampf wird auf dem Rücken der Grundversorgung und des Stammpersonals ausgetragen», so Lier. Für die Spitäler gelte: Lieber ein geschlossenes Bett oder eine Mehrbelastung fürs fest angestellte Personal, als auf Temporäre auszuweichen.
Jakob R. hat die Nase voll
Die Spitäler haben mit ihrem Durchgreifen nur Aussichten auf Erfolg, wenn sie koordiniert vorgehen. Andernfalls wechseln die Temporären einfach ans nächstgelegene Spital, statt sich von einer Festanstellung überzeugen zu lassen. «Ich finde es problematisch, wenn die Spitäler sich kartellmässig zusammenschliessen und vorgeben, wie die Arbeitsbedingungen auszusehen haben», sagt Viviane Hösli (39), beim VPOD auf nationaler Ebene für den Gesundheitsbereich verantwortlich.
Denn die Arbeitsbedingungen an den Spitälern seien der Kern des Problems, so die Gewerkschaft. Und die werden auch mit dem Ausschluss der Temporärfirmen nicht auf breiter Front besser. «Das ist reine Symptombekämpfung», kritisiert Lier. «Was man zuvor extern mit Temporärfirmen abdeckte, versucht man nun über interne Pools. Das ändert nichts an den Anstellungsbedingungen fürs Stammpersonal.»
Das sieht auch Jakob R. so. Er hat seine Stelle als Pfleger am Unispital jüngst gekündigt. Bald verlässt er nicht nur das Spital, sondern gleich die Branche. Ob es das Spital schaffen wird, Jakob R. mit einer fest angestellten Pflegekraft zu ersetzen? Fraglich.
* Name geändert