«Von der Beziehungsarbeit geht vieles verloren»
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Muriel E. (24) über Nachteile:«Von der Beziehungsarbeit geht vieles verloren»

Neue App hilft gegen Fachkräftemangel
Muriel E. springt ein, wenn Personal fehlt

Die Pflegebranche entdeckt die digitalen Personalvermittler. Muriel E. springt ein, wenn es an Pflegepersonal mangelt. Das ist auch für sie ein Gewinn.
Publiziert: 30.10.2023 um 00:31 Uhr
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Muriel E.* ist ausgebildete Fachfrau Gesundheit. Auf dem Bild steht sie vor der Mathilde-Escher-Stiftung in Zürich – einem ihrer vielen Arbeitsorte.
Foto: Linda Käsbohrer
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Rolf KromerRedaktor Wirtschaft

Muriel E.* (24) ist flexibel. Die ausgebildete Fachangestellte Gesundheit weiss nicht, wann und in welchem Spital, Pflege- oder Altersheim sie als Nächstes arbeiten wird. Das kommt ihr gelegen. Nach ihrer Lehre und späterer Berufsmatura studiert die Frauenfelderin jetzt in Zürich Theologie und kann dadurch nur unregelmässig in ihrem ersten Beruf arbeiten.

Mit einer App nimmt sie kurzfristig Jobs an. Das funktioniere ganz einfach: «Ich sehe in der App, welche Institution an welchem Tag nach Pflegenden sucht, wie hoch der Verdienst ist und von wann bis wann die Schicht geht.» Wenn ihr ein Job zusagt, kann sie ihr Interesse auf der App anmelden. «Danach entscheidet der Arbeitgeber, ob es zu einem Match kommt.» 

Nicht alle sind für Temporäreinsätze geeignet

«Nicht alle sind für wechselnde Temporäreinsätze geeignet», sagt die Thurgauerin. Und ergänzt: «Als ich fest angestellt war, war es für einzelne Angestellten ein Megathema schon nur auf einem anderen Stock zu arbeiten.» Wenig eignen würden sich zudem kurze Einsätze in Altersheimen, da sei die Beziehung zu den Bewohnerinnen und Bewohnern besonders wichtig. 

Blick trifft die Pflegerin nach ihrer Frühschicht in der Mathilde-Escher-Stiftung in Zürich. Die Institution kümmert sich um Menschen mit Muskelerkrankungen. Es ist ihr erster Einsatz dort. Ob Spital, Pflegeheim oder Klinik: E. sagt, dass sich die Einsätze aus pflegerischer Sicht ähneln. Zudem sei sie bei ihren Jobs nie auf sich alleine gestellt, sondern arbeite immer im Team. Sie sieht in der Temporärarbeit viele Vorteile. Allen voran die grosse Flexibilität. Auch lohnmässig sei es kein Unterschied, ob sie festangestellt oder temporär arbeite. Sie sagt: «Ich kann am Morgen um sechs Uhr die App öffnen – gut möglich, dass ich noch am selben Tag irgendwo einen Dienst übernehmen kann.»

Problem: Fachkräftemangel

Die kurzfristigen Einsatzmöglichkeiten zeigen, wie ausgetrocknet der Arbeitsmarkt ist. Gemäss einer Prognose des Wirtschaftsprüfungsunternehmens PwC wird sich dieser Mangel noch «gnadenlos zuspitzen»: Bis 2040 sollen rund 40'000 Stellen in der Pflege unbesetzt bleiben!

Die Geschäftsführerin der Mathilde-Escher-Stiftung, Katharina Hildebrand (60), bestätigt: «Wir beschäftigen temporäre Mitarbeitende aufgrund der personellen Notsituation.» Bei ihr machen die temporär Angestellten derzeit zwei bis fünf Prozent der Belegschaft aus. Sie sei froh, bei Personalmangel auf die App zurückgreifen zu können. Dennoch sagt sie: «Da kommen mal top Leute, dann wieder weniger geeignete.» Auch sei es schon vorgekommen, dass trotz Vereinbarung niemand zur Arbeit erschienen ist. Sie sagt: «Beim Rekrutieren über eine App bleibt immer eine Ungewissheit, da man vor dem Einsatz keinen persönlichen Kontakt mit den Bewerbenden hat».

Temporärarbeit hat seinen Preis

Am meisten kurzfristige Temporäreinsätze vermittelt in der Schweiz die App Coople: Neben Gesundheitseinrichtungen rekrutieren auch Restaurants, Detailhändler oder Versicherungsunternehmen über die App Temporärmitarbeitende. 30'000 Nutzerinnen und Nutzer der App haben einen beruflichen Hintergrund im Gesundheitswesen.

Wer nicht zum abgemachten Dienst erscheint, erhält in der App einen «Strike»». Bei drei «Strikes» sei fertig mit der Vermittlung, stellt Coople-Geschäftsführer Yves Schneuwly (39) klar. «Für uns ist die Verbindlichkeit wichtig, gerade in Pflegeberufen, wo Menschen auf eine gute Pflege und Betreuung angewiesen sind.»

Betriebe, die mit dem digitalen Temporärdienstleister arbeiten, bezahlen einen Zuschlag auf den Bruttolohn. Beispiel: Eine Fachangestellte Gesundheit mit einem Stundenlohn von 40 Franken wird dem Einsatzbetrieb für 57 Franken von Coople verrechnet. Ein happiger Aufschlag, aber die Betriebe ersparen sich damit HR-Kosten und sind vor allem in der Lage, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Schneuwly: «Am Ende des Tages sind wir für die Betriebe nicht zwangsläufig teurer als Festangestellte.»

Für App-Nutzerin Muriel E. ist letztlich egal, wer wie viel bezahlt, solange ihr Lohn stimmt – und das tut er. Die Temporäreinsätze finanzieren ihr Studium. Und geben ihr die nötige Flexibilität, Studium, Arbeit und Hobbys unter einen Hut zu bringen.

*Name geändert 

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