Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Das dachten sich wohl auch die Tirol Kliniken, als sie vom Stellenabbau im St. Galler Gesundheitswesen erfuhren. Insgesamt 440 Stellen werden in den St. Galler Spitälern verschwinden. Viele Mitarbeiter sind seit der Hiobsbotschaft nicht gut auf ihren Arbeitgeber zu sprechen, es wird zum Protest aufgerufen.
Ein guter Zeitpunkt für die Österreicher, um in die Offensive zu gehen. Während normalerweise Schweizer Spitäler um ausländisches Personal buhlen, versuchen nun die Tiroler ihr Glück, wie das «Tagblatt» berichtet.
Gratis Kinderbetreuung im Tirol
In jener Zeitung schaltete der grösste Spital-Verbund Westösterreichs vergangenen Freitag ein Inserat. Er schwärmt von mehr Ferien, kostenloser Kinderbetreuung, gratis ÖV und flexiblen Arbeitszeitmodellen.
Da die Österreicher Kliniken beim Lohn nicht mithalten können, versuchen sie mit guten Arbeitsbedingungen zu punkten. «Als grosser Klinik-Verband können wir Arbeitsbedingungen bieten, die es so in der Schweiz nicht immer gibt», sagt Gerit Mayer von den Tirol Kliniken dem «Tagblatt».
Vor allem die gratis Kinderbetreuung könnte junge Eltern überzeugen. Als diplomierte Pflegefachperson verdient man in der Schweiz durchschnittlich rund 79'000 Franken Jahr. Wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten und diesen Betrag verdienen, kostet die Kinderbetreuung für fünf Tage die Woche in der Stadt St. Gallen jährlich über 20'000 Franken.
Österreicher zurückholen
Dieser Betrag würde in Tirol wegfallen. Wenn man dazu noch die tieferen Lebenshaltungskosten rechnet, wird der Lohnunterschied zu Österreich bereits deutlich kleiner. Bei den Tiroler Kliniken verdiene eine Pflegefachperson umgerechnet etwa 47'000 Franken im Jahr. Laut Mayer sei die Arbeitsbelastung in der Schweiz aber auch deutlich höher, besonders für Ärzte.
Das Ziel sei jedoch vorrangig, österreichische Fachkräfte zurückzuholen, die in der Schweiz arbeiten. «Parallel dazu hoffen wir, Deutsche und vielleicht auch die ein oder andere Schweizerin anzusprechen», so der Tiroler.
Handlungsbedarf bei Work-Life-Balance
Cornelia Hartmann denkt nicht, dass Schweizer Pflegende nach Österreich gehen werden. «Jemand, der am Kantonsspital St. Gallen seine Stelle verliert, geht eher in den Thurgau, nach Appenzell oder Zürich», so die Präsidentin vom Berufsverband der Pflegefachfrauen im «Tagblatt».
Dennoch sieht sie gerade bei der Work-Life-Balance in der Schweiz Handlungsbedarf: «Das sind Punkte, auf die man eingehen muss, wenn der Fachkräftemangel längerfristig behoben werden soll.» (jl)