Auf einen Blick
Tiefere Preise und mehr Läden, Eigenmarken stärken und der Discounter-Konkurrenz die Stirn bieten: Die Migros-Supermärkte wollen einen Kraftakt leisten und verlorene Marktanteile zurückholen. Einfach wird das nicht für Supermarkt-Obmann Peter Diethelm, der seine Pläne zu Wochenbeginn vorstellte.
Seit Anfang Jahr führt der langjährige Migros-Manager die neue Migros Supermarkt AG, eine zentral gesteuerte Gesellschaft innerhalb des mehrzellig organisierten Migros-Genossenschaftsbundes. Von Diethelm wird erwartet, dass er das Ladennetz rasch ausbaut und den Kundenfrankenverlust hin zu Aldi Suisse und Lidl Schweiz stoppen – oder besser noch – umdrehen kann. Wenn er mit diesen Pain-Points umgehen kann.
Knacknuss: Wo kommt das Geld für den Preiskampf und die neuen Läden her?
Insgesamt will die Migros 2,5 Milliarden Franken in Preissenkungen, bessere Sortimente, 140 neue Filialen und die Aufhübschung von 350 Läden stecken. Das Geld dafür stammt vor allem aus vier Quellen: Zunächst aus dem Verkauf von Firmenteilen wie Melectronics, SportX, Hotelplan Group und Mibelle, die nicht mehr zum Kerngeschäft zählen. Wie viel Cash das insgesamt einbringen soll, beziffert die Migros nicht. Klar ist aber, dass mit diesen Töchtern langjährige Verlustbringer wegfallen.
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Drei weitere Quellen sollen ebenso zur Offensive beitragen. Indem die Migros ihren Einkauf für die Supermärkte, Denner, Migros Online und Migrolino zentralisiert, spart sie Geld. Weiter werden durch den Abbau von insgesamt 1500 Stellen Mittel frei. Zudem soll mit der Vereinheitlichung der Supermarkt-Organisation gegenüber der vormals komplizierten Struktur und regionalen Sonderwünschen Geld gespart werden. Ob diese vier Geldquellen reichen, hängt auch davon ab, wie hart der Preiskampf geführt werden muss. Siehe Knacknuss 7.
Knacknuss: 140 neue Läden – ist das überhaupt zu schaffen?
In den nächsten fünf Jahren will die Migros 140 neue Supermärkte eröffnen. Zur geografischen Ausrichtung gibt es keine konkreten Informationen, dem Vernehmen nach sollen die Läden vor allem in den Gebieten der Genossenschaften Aare und Zürich öffnen. Also dort, wo auch alle anderen hinwollen.
Diethelms Expansionstakt ist sehr ambitioniert. Zum Vergleich: Stark wachstumsgetriebene Discounter wie Aldi Suisse oder Lidl Schweiz öffnen im Jahr etwa zehn bis maximal zwanzig neue Läden. Im Migros-Plan müssten es gut dreissig sein. Die Frage ist, ob es sich in jedem Fall um Neubauten handeln muss. Oder ob auch ehemalige CS-Filialen, Kleiderläden oder ausgepowerte Denner-Satelliten in kleine 1-M-Supermärkte oder Voi-Partnerbetriebe umgewandelt werden sollen. Sollte dies der Fall sein, wird das 140er-Ziel realistischer. Hochgesteckt ist es immer noch.
Knacknuss: Die Migros geht auf die Discounter los. Was heisst das für den eigenen Discounter Denner?
Im Januar 2025 tritt bei Denner – der Discounter gehört seit 2007 der Migros – ein neuer Chef an. Torsten Friedrich heisst der Mann, der von Lidl Schweiz eingewechselt wird. Was sich Herr Friedrich wohl denkt, wenn er diese Woche im «Migros-Magazin» diese Äusserung von Peter Diethelm liest: «Es soll keinen Grund mehr geben, zum Discounter zu gehen.»
Mehr zur Migros
Klar, ein geschätzter Drittel des Denner-Umsatzes von 3,9 Milliarden Franken entfällt auf Alkohol und Tabak. Hier überschneiden sich Denner und Migros nicht. Aber bei vielen anderen Sortimenten schon. Wenn die Migros preislich zu hart dreinfährt und für sich eine Discounterrolle proklamiert, wird das Denner schaden. Vielleicht wäre Diethelm besser beraten, statt Gründe gegen die Discounter solche für die Migros zu nennen.
Knacknuss: Versteht die Kundschaft überhaupt, was im Laden los ist?
In den Migros-Supermärkten spielt seit Jahren diese Triole: Einsteigerprodukte laufen unter M-Budget, die grosse Mitte heisst M-Classic, preislich und qualitativ ganz oben thront M-Sélection. Jetzt orgelt Diethelm neu. Über tausend Alltagsprodukte will die Migros verbilligen und zeigt dies in den Läden mit dem Terminus «Tiefpreis», schwarz auf gelb.
Einmal abgesehen davon, dass bei der gelb-schwarzen Farbgebung eher Erinnerungen an die Kicker der Berner Young Boys oder Borussia Dortmund denn an die Migros wach werden, stellt sich auch die Frage, ob die Kundschaft erkennt, ob für sie nun M-Budget oder ein «Tiefpreis» ökonomisch interessanter ist. Eine Verwirrung, die man im dümmsten Fall mit teuren Werbekampagnen (oder Migroskindervolksbelehrung) auflösen muss.
Knacknuss: Wie sollen Migros-Industrieprodukte günstig bleiben, wenn der Export gekappt wird?
Peter Diethelm verspricht, künftig mehr Produkte der Migros-Industrie in die Gestelle zu bringen. Das hilft der Positionierung des orangen Riesen, der in den letzten Jahren ständig mehr Markenartikel eingelistet hatte. Aber lange Jahre galt für die Migros-Industrie dieses Mantra: Je mehr Produkte ins Ausland exportiert werden, desto mehr senkt das die allgemeinen Stückkosten, was wiederum für günstige Produkte in der Migros sorgt.
Der neue Migros-Chef Mario Irminger sieht das anders und kappt Exporte bei wichtigen Gütern wie Kaffee oder Schokolade. Was für Diethelm eine Knacknuss bringt: Kann er weiterhin für günstige Migros-Eigenmarken garantieren?
Knacknuss: Je mehr die Migros zum Sink-Tank wird, desto mehr lacht sich Coop ins Fäustchen
Mit aller Kraft gegen die Discounter – das ist das Halali des Peter Diethelm. Verbunden mit dem derben preislichen Interrogativ-Werbespruch: «Wie tief kann die Migros sinken»?
Je mehr die Migros-Supermärkte auf tiefe Preise setzen, je mehr sie in der Kommunikation die Themen Vielfalt, Qualität und Nachhaltigkeit vernachlässigen, desto mehr wird ein Widersacher punkten, der bei Duttis Erben offenbar komplett vom Radar verschwunden ist. Coop. Wenn sie im ganzen Discount-Gehechel einmal kurz Zeit haben, könnten sich Diethelm und seine Marketing-Eleven vom orangen Sink-Tank fragen: Wie tief kann, darf und soll die Migros sinken?
Knacknuss: Was passiert mit dem Migros-Image, wenn der Preiskampf schmutzig wird?
In ihrer aktuellen preislichen Kampfansage beteuert die Migros zwei Dinge. Erstens: Die Preissenkungen werden über interne Effizienzgewinne ermöglicht. Zweitens: Sollten die Discounter den Migros-«Tiefpreis» unterbieten, dann würde man eben selber weiter sinken.
Sollte sich ein solcher Preiskampf über mehrere Runden ziehen, ergeht irgendwann die Forderung an Bauern und andere Produzenten nach preislichen Zugeständnissen. Dann wird der Preiskampf schmutzig. Und dann leidet jenes Unternehmen am meisten, das für seinen guten Ruf bekannt ist: die Migros. Wer dann auch leidet: Chief-Knacknuss-Officer Peter Diethelm.