Auf einen Blick
- Sunrise lockt mit neuen Angeboten und Rabatten
- Konsumentenschützer kritisieren aggressive Kundenbindungsstrategien
- Schweiz hat 10,9 Millionen Mobilfunkabos und 4,1 Millionen Internetabos
Hat dich dein Telekomanbieter in den letzten Tagen angerufen und dir einen neuen «Superdeal» vorgeschlagen? Dann bist du nicht allein. Auch beim Blick-Redaktor klingelte das Telefon neulich am Samstag – gleich neunmal: viermal der Festnetzanschluss, fünfmal das Handy. Anrufer war stets der Telekomanbieter Sunrise.
Ein Mitarbeiter versprach zuerst einen Rabatt auf das bestehende Abo für Internet/TV/Festnetz. Das aber nur verbunden mit dem Abschluss eines für die Schweiz unlimitierten Mobile-Abos für 19.90 Franken, plus einer Verbesserung der Internetgeschwindigkeit.
Damit wäre das bestehende Abo leicht teurer als zuvor, dafür mit mehr Leistungen. Bedenkzeit gab es aber nicht. «Das Angebot gilt nur heute», so der Mitarbeiter. Dass die Laufzeit des Abos wieder von vorn startet, man sich also für zwei weitere Jahre verpflichtet, bestätigt der Verkäufer erst auf Nachfrage.
Kundenbindungsmethoden in der Kritik
Klingt nach der Masche: Druck ausüben für einen unüberlegten Abschluss. Für Sara Stalder (58) von der Stiftung für Konsumentenschutz ist das nicht erstaunlich: «Telekommunikationsfirmen versuchen immer wieder mit grenzwertigen oder sogar gesetzeswidrigen Methoden, die Leute weiter zu binden oder Mehreinnahmen zu tätigen.»
Aus Kostengründen klage kaum jemand. «Solange in der Schweiz keine Gruppenklagen möglich sind, können solche Machenschaften von Unternehmen ungehindert umgesetzt werden.»
Walter Salchli (40) von der Telekom-Vergleichsplattform alao.ch sieht mehrere Gründe, weshalb die Anrufwelle gerade jetzt wieder losgeht: «Im November fallen die Abopreise teils um über 80 Prozent, weshalb in den kommenden Wochen Tausende Nutzer ihre Abos wechseln.»
Kurz vor Ende Jahr wollen die Telekomanbieter keinen grossen Kundenabfluss riskieren. Deshalb starten sie laut Salchli schon im Oktober mit Kundenbindungskampagnen – «mit attraktiven Werbeaktionen, aber manchmal sehr aggressiv».
Kampf ums Nettowachstum
Die Schweiz zählt laut Bundesamt für Kommunikation rund 10,9 Millionen Mobilfunk- und 4,1 Millionen Internetabos. Beim Mobilfunk gibt es kaum Wachstum, während Schweizerinnen und Schweizer für Internet und Telefonie im Vergleich zu den Nachbarländern sehr viel ausgeben. Kundenbindung ist daher laut Salchli entscheidend.
Das Zauberwort heisst «Net Adds». Das ist die Differenz zwischen neu gewonnenen und verlorenen Kunden in einem bestimmten Zeitraum. Wer Ende Jahr einen positiven Wert dieser Kennzahl hat, signalisiert Wachstum. Bei Sunrise, das am 15. November an die Börse zurückkommt, dürfte es dieses Jahr besonders wichtig sein, eine positive Zahl bei den «Net Adds» vorzuweisen.
Das Wachstum erfolgt oft über günstigere Zweitmarken wie Wingo von Swisscom oder Yallo von Sunrise. Sie nutzen die Netze der Hauptmarke, bieten aber deutlich tiefere Tarife, dafür weniger persönliche Beratung. «Im Vergleich zu Deutschland lassen sich aber noch immer wenige Schweizerinnen und Schweizer von den günstigen Tarifen der Zweitmarken überzeugen», bemerkt Salchli. Viele bleiben bei den teureren Abos der Kernmarken Swisscom, Sunrise oder Salt, die nicht immer bessere Qualität als ihre eigenen Zweitmarken böten.
Sunrise streitet Vorwürfe ab
Sunrise verfolge keine «aufdringliche Verkaufsmethoden» im Zusammenhang mit Black Friday, dem Weihnachtsgeschäft oder gar dem Börsengang. «Eine solche Praxis wäre zu jeder Zeit sinnwidrig, weil damit treue Kunden verärgert würden», so Sprecher Rolf Ziebold.
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Auf den geschilderten Fall angesprochen, erklärt Ziebold: «Der Grund für die erhaltenen Mehrfachanrufe trotz erfolgtem Kontakt ist leider ein manueller Fehler des Mitarbeiters bei der Nutzung unseres Anrufsystems.» Erfolge die Kontaktaufnahme durch den Agenten am letzten Tag der Angebotsdauer, sei die Aussage, das Angebot gelte noch 24 Stunden, zwar korrekt – «aber in Verbindung mit dem erwähnten Fehler unglücklich», so Ziebold.
Sunrise wolle mit Spezialangeboten treue Kunden belohnen. Konsumentenschützerin Stalder räumt ein, dass der «Telefonterror» für sogenannte Kaltakquisen abgenommen habe. Aber eben nicht bei bestehenden oder kürzlich abgesprungenen Kunden.
Die Konsumentenschützerin rät: «Wer sich als Kunde belästigt fühlt, sollte das unmissverständlich kundtun und verlangen, dass keine Kontaktaufnahme mehr erfolgen soll.»