Telekom, eine Boombranche der Nullerjahre. Damals fancy, heute eine Commodity. Sinkende Margen, stagnierende Umsätze, kaum Innovationen, todlangweilig. Wer will da noch investieren?
Ha, von wegen! Stolze 518 Telekom-Anbieter sind derzeit beim Bakom registriert, so viele wie noch nie – vor zwei Jahren waren es noch 487. Hinzu kommen zahlreiche internationale Player, die die Schweiz vom Ausland her bespielen. Das Spektrum reicht von A wie AT&T Global Network Services bis Z wie Zoom Voice Communications – der Schweizer Markt muss also attraktiv sein, dass er so viele neue Anbieter anlockt.
Und: Sie sind gekommen, um zu bleiben. «Die kleinen, neuen Serviceprovider sind etabliert, sie werden auch nicht einfach wieder verschwinden», sagt Jörg Halter von der Telekom-Beratung Ocha. Darunter leiden die Platzhirsche Sunrise und vor allem Swisscom, denen die Junganbieter Marktanteile wegfressen: «Die Front gegen die Swisscom ist massiv grösser geworden: Vorher waren das nur wenige Herausforderer, die haben die Swisscom nicht wirklich interessiert. Jetzt kann der Ex-Monopolist sie nicht mehr ignorieren», sagt Halter.
Immer zufriedener
Er hat das nötige Zahlenmaterial, um das zu belegen. Denn zusammen mit Peter Messmann von der Firma MepAdvice hat er diesen Juni und Juli bereits zum 25. Mal exklusiv für BILANZ das grösste Schweizer Telekom-Rating durchgeführt. 10'330 Privat- und 1187 Geschäftskunden füllten den Fragebogen aus nach ihrer Zufriedenheit mit den Anbietern, aufgeschlüsselt nach den Kategorien Qualität, Innovation, Preis, Flexibilität und Support.
Dabei bestätigen sich die Trends der letzten beiden Jahre: Die Kunden sind willig, zu den kleinen Playern zu wechseln. «Für die ist die Swisscom noch immer der Hauptlieferant von Neukunden», so Halter. Und: Das Qualitätsniveau steigt langsam, aber stetig. Nicht nur, was das Netz angeht, sondern auch im Kundenkontakt oder bei Zusatzdiensten.
Das zeigt sich bei den Privatkunden besonders im Mobilfunk: Inzwischen ist hier die Zufriedenheit im Schnitt sogar höher als im Fixnetz – bisher undenkbar! Wie im letzten Jahr besitzen die Top 10 kein eigenes Handynetz, sondern nutzen jenes von Swisscom, Sunrise oder Salt. Welches genau das jeweils ist, spielt für den Kunden inzwischen keine Rolle mehr, schliesslich unterscheidet sich die Abdeckung nur noch im Promillebereich. «Die Kunden wissen das häufig auch gar nicht», sagt Messmann.
Auffällig ist aber, dass die Flexibilität der Anbieter in allen Segmenten tiefer bewertet wird als in den Vorjahren. «Das ist ein Indiz dafür, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist, was den Willen angeht, auf Kundenwünsche einzugehen», so Messmann. Im Festnetz ist das besonders spürbar: Die Leute haben den Fixanschluss zwar noch, aber nutzen ihn kaum mehr. Entsprechend wenig lukrativ ist der Markt und entsprechend gering die Motivation der Carrier für einen Effort.
Bemerkenswert: Bei den Privatkunden sind heuer klar weniger Anbieter im Rating vertreten als letztes oder vorletztes Jahr. Das ist aber nur auf den ersten Blick ein Widerspruch zum eingangs festgestellten Anbieterboom. «Es gibt im Bereich der Klein- und Kleinstanbieter eine Konsolidierung», sagt Halter. Denn für diese wird es immer schwieriger, Sichtbarkeit zu erlangen: Die Marketingausgaben vor allem der mittelgrossen Player steigen stärker.
Die Folge: «Wer sich halten kann, wächst deutlich», so Halter. Hinzu kommt, dass sich die Nennungen in der Umfrage auf mehr Player verteilen. Gleichzeitig sind aber die Anforderungen an die Anzahl Bewertungen gestiegen, um im BILANZ-Rating vertreten zu sein.
Switzerland first
Die Positionen im Privatkundenranking sind gegenüber dem Vorjahr einigermassen stabil geblieben: Die vorderen Plätze holen sich kleine, häufig junge Anbieter. Die Swisscom hat eine Art Erbrecht auf die letzten Plätze: «Noch immer schlagen dort die zahlreichen Netzausfälle der letzten Jahre durch», so Halter. Und ein psychologischer Effekt kommt hinzu: Wer von den Swisscom-Kunden nicht selber zu einem anderen Anbieter wechseln mag, haut gerne auf den Ex-Monopolisten.
Sunrise wiederum wird bestraft für die Vollintegration von UPC. «Zum einen ist der Wechsel nicht so reibungslos über die Bühne gegangen wie erhofft, was auch an Datenbankdifferenzen lag», so Halter. Und manche Kunden sind frustriert, weil sie ungefragt einen neuen Anbieter bekamen: «Ein Brandwechsel ist nie beliebt.» Hinzu kommt das Problem, dass Swisscom wie Sunrise nicht ausschliesslich auf das schnelle Glasfasernetz setzen, sondern zusätzlich ein vergleichsweise leistungsschwaches Kupfernetz und im Fall von Sunrise auch noch ein Kabelnetz geerbt haben (ähnliches gilt auch für Quickline, den grössten der mittelgrossen Anbieter). Dieser Mischmasch schlägt sich in der Performance nieder.
Bei den Geschäftskunden ist der Markt wieder dynamischer geworden als in den Vorjahren. Der Mobilfunkbereich legt weiterhin zu, im Segment Datacenter und bei den Clouddiensten ist das Wachstum moderater. Der Markt für Internet Service Provider (ISP) und Corporate Networks ist stabil, und, ja, auch das Fixnetz gibt es noch. In fast allen Bereichen rangieren auch hier Swisscom und Sunrise auf den hinteren Plätzen.
Gut schneidet hingegen Salt ab: «Es ist sensationell, was die Firma image- und positionsmässig fertigbringt», so Messmann. Vor rund fünf Jahren hat Salt bereits den Privatkundenmarkt mit ihrem aggressiven Glasfaserangebot aufgemischt. Seit zwei Jahren passiert das Gleiche bei den Geschäftskunden. «Das hätte ich nicht erwartet», sagt Halter. Salt kopiere die frühere Swisscom-Strategie, indem sie sich mit Kampfpreisen grosse Projekte angle: «Swisscom und Sunrise können nicht mehr reagieren, wenn man ihre Bilanzzahlen ansieht», so Halter. Zudem profitiere Salt vom Herausforderer-Image, das Sunrise in den letzten Jahren ganz klar verloren habe. Entsprechend ist die Anzahl der Salt-Nennungen in der Umfrage stark gestiegen. Und was sich jedes Jahr aufs Neue zeigt: Die internationalen Player wie Apple, Google oder Microsoft sind hierzulande unbeliebt, Stichwort fehlende Kundennähe. Switzerland first!
Auch wenn sich die kleinen also immer mehr als die feinen Anbieter erweisen: Viele Kunden wünschen sich noch immer alles aus einer Hand und wählen deshalb einen der drei Universalanbieter. In diesem Ranking gibt es auch dieses Jahr viel Bewegung: Bei den Grosskunden verdrängt Sunrise Salt vom Spitzenplatz, bei den KMUs holt sich hingegen Salt die Goldmedaille von Swisscom.
Auch bei den Privatkunden verliert der Ex-Monopolist Boden und landet auf dem letzten Platz. Was nebenher passiert, spielt dabei keine Rolle. Der geplante Börsengang von Sunrise etwa hat keine Auswirkungen auf das Abschneiden: «Das dürfte die Leute kaum interessieren», so Messmann. Gleiches gilt für das Auslandengagement der Swisscom, obwohl die Übernahme von Vodafone Italia gerade zum Umfragezeitpunkt in den Nachrichten war.
Und da sind wir wieder beim Thema: Börsengang, Milliardenakquisition – hat da jemand gesagt, die Branche sei langweilig geworden?
Zum vollständigen Telekom-Rating 2024 geht es hier.