«Ganz tiefe Preise sind für uns keine Option»
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Swiss-Chef Vranckx:«Ganz tiefe Preise sind für uns keine Option»

Swiss-Chef Dieter Vranckx (48) über die Zukunft des Fliegens
«Masken werden noch jahrelang bleiben»

Swiss-Chef Dieter Vranckx erklärt im Interview, wie schwierig das Geschäft in Zeiten von Corona ist, sagt aber auch, dass es zu keinen weiteren Entlassungen kommen sollte.
Publiziert: 25.06.2021 um 01:26 Uhr
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Aktualisiert: 26.06.2021 um 18:18 Uhr
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Die Swiss verbrennt noch immer jeden Tag Geld, doch das soll ...
Foto: Swiss
Interview: Christian Kolbe

Dieter Vranckx (48) empfängt Blick virtuell im Homeoffice. Der Swiss-Chef arbeitet lieber im Büro, will aber auch Vorbild sein, hat die Hälfte der Zeit die Swiss von zu Hause aus geführt. Sein Hintergrundbild hat er selbst geknipst. Es zeigt den 30. Airbus A-220 der Swiss. Diese Maschine hat Vranckx persönlich am Flughafen Zürich für seine Airline in Empfang genommen. Der Flugzeugtyp stehe für die Zukunft der Airline, die auf effiziente und sparsame Flugzeuge setzt.

Blick: Seit Ausbruch der Corona-Krise verbrennt die Swiss tagtäglich Geld. Ist das immer noch so?
Dieter Vranckx: Ja, die Krise ist noch nicht bewältigt. Wir haben noch immer jeden Tag einen Geldabfluss zu verzeichnen. Doch das wird sich im Juli und August ändern.

Wie viel Geld verlieren Sie jeden Tag?
Weniger als 1,5 Millionen Franken. Mit der Kapazitätserhöhung im Sommer auf 50 bis 55 Prozent aufgrund der zunehmenden Nachfrage können wir diesen Geldabfluss stoppen. Die Situation bleibt aber mittelfristig schwierig, auch 2023 wird der Nachfragerückgang noch bei rund 20 Prozent liegen. Deshalb müssen wir die Swiss jetzt neu aufstellen.

2022 haben Sie bereits abgeschrieben?
Das ist ein Übergangsjahr. 2022 gehen wir von einer weiteren Steigerung der Buchungszahlen aus, aber wir richten unsere Ziele auf das Jahr 2023 aus.

Noch im März haben Sie im Interview mit dem SonntagsBlick von 65 Prozent Kapazität im Sommer geträumt. Wie kann man so danebenliegen?
In einer solchen Krise sind drei Monate eine lange Zeit. Zeitweise mussten wir beinahe täglich die Planung der Kapazitäten aufgrund sich ändernder Reiserestriktionen anpassen.

Und danach fängt das Geldverbrennen von vorne an?
Das hängt davon ab, wie sich die Ticketverkäufe entwickeln. Steigt die Anzahl an Buchungen, so verbessert sich auch unsere Liquiditätssituation. Die Wintermonate von November bis Februar sind auch in normalen Zeiten nachfrageschwächere Monate. Erst ab Februar 2022 ist wieder etwas Wachstum möglich.

Eine Airline wie die Swiss verdient vor allem Geld mit Businesskunden und mit Fracht. Wie läuft es in diesen Bereichen?
Die Fracht läuft sehr gut, da haben wir Hochkonjunktur. Damit können wir auf der Langstrecke unser Ergebnis verbessern. Wir haben bereits 2020 drei Boeing 777 zu reinen Frachtmaschinen umgebaut. Daran halten wir vorerst fest. Das Europageschäft erholt sich schneller als die interkontinentalen Märkte. Auf der Langstrecke ist noch keine namhafte Erholung in Sicht: Der amerikanische Markt zieht zwar langsam wieder an, in Asien dauert es aber sicher noch einige Monate. Beim Freizeit- und Besuchsreiseverkehr steigt zudem die Nachfrage stärker an als bei den Geschäftsreisenden.

Der Bundesrat hat die Maskenpflicht im Freien aufgehoben, fliegen wir bald auch wieder ohne Maske?
Nein, die Maskenpflicht im Flugzeug wird noch jahrelang bleiben – sowohl bei den Passagieren als auch beim Personal. Das ist wichtig und Teil unseres Schutzkonzepts. Wir haben bis jetzt keine Kenntnis von einer Ansteckung an Bord eines Swiss-Flugzeugs.

Die Banken haben Swiss und Edelweiss einen Kredit von 1,5 Milliarden Franken zur Verfügung gestellt. Wie viel ist davon noch übrig?
Wir haben bisher weniger als die Hälfte gezogen. Unser Ziel ist es, nicht mehr als die Hälfte des Bankkredits zu beziehen.

Sie haben gesagt, dass Sie unter anderem deswegen Jobs streichen, um den Kredit zurückzahlen zu können. Dabei ist dieser staatlich garantiert, das ist doch ein Affront gegenüber den Entlassenen?
Aufgrund der strukturellen Veränderung im Markt ist eine Restrukturierung unumgänglich. Wir müssen die Swiss zukunftsfähig aufstellen. Das heisst, wir müssen wieder in der Lage sein, aus eigener Kraft Investitionen zu tätigen, damit wir konkurrenzfähig bleiben. Es geht dabei auch um die Zukunft der über 7000 Mitarbeitenden, die im Unternehmen bleiben.

Bleibt es bei den 550 angekündigten Entlassungen?
Wir haben rund 1700 Vollzeitstellen abgebaut, davon etwa zwei Drittel über freiwillige Abgänge, ein Drittel über Entlassungen. Es tut mir sehr leid, dass wir uns von Mitarbeitenden trennen müssen. Im Rahmen dieser Redimensionierung sind keine weiteren Entlassungen oder Stellenstreichungen geplant.

Sie kennen die Swiss nur im Krisenmodus. Wie schwierig ist Führung in solchen Zeiten?
Es ist schon belastend, wenn man nach veränderter Ausgangslage und einer Marktanalyse zum Schluss kommt, dass es ohne Entlassungen nicht gehen wird. Aber wir können die Zukunft des Unternehmens und der Jobs nur sichern, wenn wir auch Kosten senken. Diese Gratwanderung, die Balance zwischen sozialverträglichen Abbaumassnahmen und der Sicherung von Arbeitsplätzen zu finden, das ist meine Aufgabe, dafür trage ich die Verantwortung.

Wie hart waren die Verhandlungen mit den Sozialpartnern?
Wir haben drei Wochen lang mit den Sozialpartnern Lösungen erarbeitet. Es gab über 770 Vorschläge von Mitarbeitenden, wie man die Zahl der Kündigungen reduzieren und den Abbau möglichst sozialverträglich vollziehen kann. Dank einem konstruktiven Konsultationsverfahren konnten wir die Zahl der Kündigungen von 780 auf 550 Personen reduzieren.

Ein Beispiel für einen konkreten Vorschlag?
Das Cockpitpersonal hat beispielsweise angeboten, Teilzeit zu arbeiten, um den Überbestand von 120 Piloten zu bewirtschaften. Das gibt uns die Möglichkeit, flexibel auf den Aufschwung zu reagieren.

Dazu müssen aber die Passagiere zurückkommen. Wie ist der Buchungsstand?
Im Hochsommer bieten wir etwas mehr als die Hälfe der Sitzplätze wie vor der Corona-Pandemie an. Wir verspüren einen klaren Buchungsanstieg für die Sommerferienmonate und hoffen, dass sich diese Entwicklung auch in den nächsten Wochen fortsetzt.

Wie ist die bereitgestellte Kapazität im Moment ausgelastet?
Das ist unterschiedlich. In Europa sind die Flugzeuge zwischen zwei Drittel und drei Viertel ausgelastet. Im Langstreckenbereich liegt die Auslastung unter zwei Drittel.

Wie verlässlich sind Buchungen für den Sommer bei der Swiss, findet jeder Flug statt?
Die Verlässlichkeit unseres Flugplans hat deutlich zugenommen und ist mittlerweile wieder sehr hoch.

Wenn das Flugzeug halbleer ist – fällt der Flug dann aus?
Nein, wir halten grundsätzlich an unserem Flugplan fest. Natürlich sind mittelfristige Optimierungen immer möglich. Dies ist auch aus Gründen der Nachhaltigkeit sinnvoll. In solchen Fällen suchen wir nach passenden Lösungen für unsere Fluggäste.

Wie viele Flugzeuge sind noch gegroundet?
Von unseren 92 Maschinen sind 75 wieder im Flugeinsatz. Davon sind 54 Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge und 21 Langstreckenjets. Der Rest der Flotte ist in Genf oder Amman parkiert, in Dübendorf hatten wir nur in der Anfangsphase Flugzeuge abgestellt.

Einige Fluggesellschaften liefern sich einen ruinösen Preiskampf. Macht die Swiss da mit?
Nein, an diesem Preiskampf beteiligen wir uns nicht, Tickets für sechs, neun oder zwölf Franken wird man bei uns nicht sehen. Wir bieten nur Flugpreise an, die unsere variablen Kosten decken, darunter gehen wir nicht.

Kann ein Mindestticketpreis Abhilfe schaffen?
Grundsätzlich soll der Markt den Preis regeln. Falls so ein Mindestpreis eingeführt wird, sollte er zumindest europaweit gelten, vorzugsweise weltweit. Wir befinden uns in einem internationalen Markt, weshalb man solche Regeln international koordinieren muss. Nationale Alleingänge führen lediglich zu einem Wettbewerbsnachteil für die heimischen Fluggesellschaften.

Sind Sie ein Fussballfan?
Ja, ein grosser! Zum Glück gibt es diese Spiele um 21 Uhr, da habe auch ich Zeit, Fussball zu schauen.

Sollte die Schweiz an der EM auf Belgien treffen, wem drücken Sie dann die Daumen?
Wir sind eine sehr internationale Familie. Meine Frau ist Schweizerin, unsere Kinder und ich sind schweizerisch-belgische Doppelbürger. Zum Glück spielt Belgien selten gegen die Schweiz. Aber das Beste an so einer Partie ist, dass ich immer mit dem Resultat zufrieden bin, da ich auf jeden Fall gewinne.

Dieter Vranckx ist ein Swissair-Veteran

Swiss-Chef Dieter Vranckx (47) kennt das Aviatik-Geschäft von der Pike auf. Er hat seine Karriere als Netzwerkplaner bei Swissair begonnen, durchlief danach diverse Managementfunktionen bei der Nachfolgerin Swiss und bei der Muttergesellschaft Lufthansa. Bevor der belgisch-schweizerische Doppelbürger im Januar 2021 den Chefsessel bei der Swiss übernahm, stand er an der Konzernspitze der Brussels Airlines, ebenfalls eine Lufthansa-Tochter. Vranckx lebt im Kanton Zürich, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Swiss-Chef Dieter Vranckx (47) kennt das Aviatik-Geschäft von der Pike auf. Er hat seine Karriere als Netzwerkplaner bei Swissair begonnen, durchlief danach diverse Managementfunktionen bei der Nachfolgerin Swiss und bei der Muttergesellschaft Lufthansa. Bevor der belgisch-schweizerische Doppelbürger im Januar 2021 den Chefsessel bei der Swiss übernahm, stand er an der Konzernspitze der Brussels Airlines, ebenfalls eine Lufthansa-Tochter. Vranckx lebt im Kanton Zürich, ist verheiratet und hat zwei Kinder.


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