Die Corona-Krise kostet Hunderten Piloten, Stewardessen und Flugbegleitern den Job. Wegen tiefgreifender Reisebeschränkungen bleiben die Maschinen der Fluggesellschaft Swiss seit über einem Jahr mehrheitlich am Boden. Die Folgen für die Beschäftigten sind hart. Bis zu 780 Jobs werden gestrichen, was 650 Vollzeitstellen entspricht. Davon 200 beim Bodenpersonal, 60 in der Technik, 400 beim Kabinenpersonal und 120 im Cockpit.
Die Corona-Pandemie habe «die Branche in einem noch nie dagewesenen Ausmass getroffen», schreibt die Swiss in einer Medienmitteilung. Das finanzielle Loch wird für die Schweizer Fluglinie zu gross: Sie muss Einsparungen vornehmen. 15 Flugzeuge werden ausser Betrieb genommen. Bis Ende 2021 wird die Swiss bereits mehr als 1000 Vollzeitstellen durch natürliche Fluktuation und freiwillige Massnahmen abgebaut haben
Einsparung von 500 Millionen
«Ich bedaure ausserordentlich, dass wir nach vielen Jahren des Erfolgs mit einem grossartigen Team einen derart schmerzhaften Schritt in Erwägung ziehen müssen. Leider bleibt die Situation äusserst anspruchsvoll und erfordert weiterhin eine hohe Kostendisziplin und -effizienz», sagt Dieter Vranckx (48), CEO der Swiss.
«Für die Zukunftsfähigheit der Swiss ist die geplante Restrukturierung unumgänglich. Wir möchten einen möglichen Abbau so sozialverträglich wie möglich durchführen», verspricht er. Und fügt an: «Es tut uns sehr leid, dass so viele Mitarbeiter davon betroffen sein könnten. Aber wir hatten keine andere Wahl.»
Für Finanzchef Markus Binkert (49) ist klar: «Wir werden auch im zweiten Quartal noch Verluste einfliegen. Wir hoffen, dass es uns im dritten Quartal mit dem Sommergeschäft gelingen wird, den Geldabfluss zu stoppen.»
Man sei zum Schluss gekommen, dass das Fluggeschäft auch in den nächsten Jahren nicht das Vorkrisenniveau erreichen werde. «Vor allem Grosskonzerne haben uns signalisiert, dass die Zahl der Geschäftsreisen um bis zu 30 Prozent zurück gehen könnte», so Binkert.
Flotte wird massiv verkleinert
500 Millionen Franken will die Swiss mit dem Stellenabbau und der Flugflotten-Verkleinerung einsparen. Die Flotte von 90 eigenen und den im Auftrag operierenden Flugzeugen von Helvetic Airways wird gegenüber 2019 um 15 Prozent verkleinert.
Auf der Kurz- und Mittelstrecke wird sich laut der Swiss die Anzahl Flugzeuge durch die Ausflottung von Maschinen der Airbus A320-Familie und der Reduktion im Wetlease-Bereich demnach von 69 auf 59 reduzieren. Im Langstreckenbereich beabsichtigt die Airline die Flotte von 31 auf 26 Flugzeuge zu verkleinern. Dabei würden fünf Flugzeuge aus der Airbus-Familie ausser Betrieb genommen werden.
Sowohl auf der Kurz- und Mittelstrecke als auch im Langstreckenbereich werden die Frequenzen gegenüber 2019 «voraussichtlich reduziert», wie die Swiss schreibt. Zudem würden einzelne interkontinentale Direktverbindungen vorerst nicht mehr aufgenommen werden können.
Risikoreiche Strategie überprüfen
Die Gewerkschaft VPOD sagt, sie wolle sich im Rahmen des Konsultationsverfahrens nun dafür einsetzen, dass die Swiss ihre risikoreiche Strategie nochmals überdenkt. Aktuelle Studien zeigten positive Szenarien für den Luftverkehr. Bereits Ende 2021 könnte ein ähnliches Niveau im Luftverkehr wie vor der Krise erreicht werden, heisst es von der Gewerkschaft.
«Mit einer Massentlassung würde die neue Swiss-Leitung das Vertrauen der Mitarbeitenden und der Bevölkerung wenige Wochen nach Amtsantritt verspielen», warnt Philipp Hadorn, Präsident der Bodenpersonal-Gewerkschaft SEV-GATA. «Sie riskiert damit einen Mangel an Fachkräften im Wiederaufschwung des Luftverkehrs und vernachlässigt ihre soziale Verantwortung für die Mitarbeitenden.»
Es sei alles daranzusetzen, dass die Arbeitsplätze gesichert und nicht durch «ein zauderndes und visionsloses Management für Jahrzehnte gefährdet werden, und dazu noch die Teilhabe am bevorstehenden Aufschwung verpasst wird», sagt Hadorn.
«Aussergewöhnliche Belastung»
Die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh bedauert den Stellenabbau bei der Swiss sehr, wie sie zu Blick sagt. «Der Verlust der Arbeit ist für viele Betroffene eine aussergewöhnliche Belastung, die zu Existenzängsten führen kann. Der Personalabbau untermauert die Wichtigkeit einer baldigen Rückkehr zur Reisefreiheit.»
Diese Forderung habe der Zürcher Regierungsrat mehrfach beim Bundesrat deponiert, zuletzt Mitte April beim Treffen mit Bundespräsident Guy Parmelin am Flughafen. «Es geht eben nicht nur ums Fliegen, um Ferien, um Abenteuer. Es geht um Tausende wertvolle Arbeitsplätze», so Späh.