Seine ernste Miene spricht Bände! Dieter Vranckx (47), seit Anfang Jahr neuer Swiss-CEO, ist an diesem Donnerstag nicht zu Spässchen aufgelegt. «Wir wurden von einer nie dagewesenen Krise getroffen», sagt der Schweiz-Belgier an seinem ersten Presseauftritt – der Swiss-Jahrespressekonferenz – und meint damit natürlich die Corona-Pandemie.
Das Virus hat den Gewinnturbo Swiss finanziell abstürzen lassen. 654 Millionen Verlust stehen zu Buche im Albtraum-Jahr 2020, das von Einreisestopps und Quarantänepflichten geprägt war. Ähnliches Bild beim Umsatz: Hat man 2019 noch 5,33 Milliarden Franken eingenommen, waren es im vergangenen Jahr nur noch 1,85 Milliarden Franken. Ein sattes Minus von 65 Prozent! «Dieser Anblick schmerzt», sagt Vranckx.
Wie heftig die Pandemie der Swiss zusetzt, verdeutlicht Finanzchef Markus Binkert (49): «Wir haben 4,8 Millionen Passagiere transportiert – das entspricht dem Niveau der Swissair aus dem Jahre 1973.»
Das wohl grösste Übel für die Fluggesellschaft: Aussicht auf Besserung ist nicht in Sicht – im Gegenteil. «Seit Jahresbeginn hat sich die Ausgangslage massiv verschlechtert», sagt Neu-CEO Vranckx. Er meint damit die Virusmutationen und die Probleme bei den Impfungen.
Jeden Tag verlocht die Swiss zwei Millionen Franken, weil die meisten Maschinen immer noch nicht abheben dürfen. Das wird wohl noch eine Weile so bleiben. Bei der Swiss geht man davon aus, dass 2021 im Vergleich zum Vorkrisen-Jahr gerade mal eine Auslastung von 50 Prozent erreichen wird.
Keinen weiteren Bundeskredit im Jahr 2021
So dramatisch wie im vergangenen Frühjahr ist die Lage derzeit nicht, versichern die Chefs am Donnerstag. Damals sprang der Bund der Swiss zur Hilfe, genehmigte der Fluggesellschaft einen Kredit in der Höhe von 1,5 Milliarden Franken. «Ohne den Kredit hätten wir nicht überleben können», sagt Binkert. Derzeit bleiben der Swiss vom Bundeskredit noch rund eine Milliarde Franken übrig. Braucht die Airline im Sommer erneut Unterstützung?
«Nein», versichert der Finanzchef auf Nachfrage von BLICK. Er verspricht: «Wir werden bis Ende Jahr genügend Geld haben. Die Liquidität ist sichergestellt.» Einen weiteren Kredit wird es im Jahr 2021 demnach nicht brauchen. «Anfang 2022 wollen wir bereits einen Teil zurückzahlen», sagt Binkert weiter und schiebt hinterher: «Aber wenn die Erholung im Sommergeschäft ausbleibt, muss man im Winter die Lage neu analysieren.»
«Der Swiss geht es schlecht – wie der ganzen Branche. Die Luftfahrt befindet sich in der grössten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg», sagt Aviatik-Experte Stefan Eiselin zu BLICK. Vieles sei abhängig vom Sommergeschäft. Bleibt der erhoffte Boom aus, werde die Swiss finanziell noch weiter abstürzen. Auch SVP-Nationalrat und Pilot Thomas Hurter (57) blickt der Zukunft mit Sorge entgegen. «Die Stimmung ist angespannt. Der Sommer wird entscheidend.»
Jetzt kommt der Sparhammer
Klar ist aber in jedem Szenario: Swiss-CEO Vranckx muss die angeschlagene Airline gesundsparen. Der 47-Jährige verschweigt diese Tatsache auch nicht. «Spätestens seit der Jahreswende ist uns allen klar, dass diese Krise langfristig und schmerzlich wird.» Die Swiss müsse die Kosten «deutlich» und «dauerhaft» senken.
Vorgänger Thomas Klühr (59) wollte eigentlich ohne Entlassungen durch die Krise kommen. Doch Vranckx muss den bereits angekündigten Stellenabbau durchpeitschen. Bereits 500 Stellen seien im vergangenen Jahr abgebaut worden, 500 weitere sollen bis Ende 2021 durch natürliche Fluktuation und Frühpensionierungen dazukommen.
Der Abbau betrifft auch die Teppichetage. «Wir haben in den letzten Monaten 20 Prozent des Managements abgebaut», so Vranckx. Die Geschäftsleitung wird zudem ausgedünnt: COO Thomas Frick (61) tritt Ende März ab – seine Stelle wird nicht neu besetzt.
Doch ob der bisher angekündigte Personalabbau reicht, daran zweifelt Vranckx bereits. Er spricht vage von «verschiedenen Szenarien». Es ist das einzige Mal an dieser Jahreskonferenz, dass der zweifache Familienvater nicht Klartext spricht. Nur so viel lässt Vranckx durchblicken: Auch ein Teil der Flotte könnte gestrichen werden, was sich auf das Streckennetz auswirken würde. Dass die Swiss schrumpfen wird, gilt mittlerweile unter Branchenkennern als wahrscheinlich.
Swiss verspricht: «Preise werden nicht steigen»
Vranckx meisterte seine erste Jahreskonferenz mit finsterer Miene und machte so seinem Ruf als ernster Zeitgenosse alle Ehre. Die wenigen guten Nachrichten, die es dann doch noch zu verkünden gab, überliess er konsequenterweise seinem Kollegen Tamu Goudarzi Pour (51). «Jeder Kunde, der von Flugausfällen oder Umbuchungen betroffen war, hat sein Geld zurückerhalten», sagte der Swiss-CCO. Insgesamt habe man 800 Millionen Franken an 1,5 Millionen Kunden zurückbezahlt.
Und auch Pour liess sich noch ein Versprechen von BLICK entlocken. «Die Preise für die Kunden werden im Sommer im Vergleich zu Vorjahren nicht steigen», sagte er. Derzeit bestehe ein Überangebot, was eher zu tieferen Konditionen führen könnte.