Die Welt hat Russland vom internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen. Das heisst: Jede Transaktion von einem oder auf ein russisches Konto muss fortan manuell eingegeben werden. Der Informationsfluss zwischen russischen und internationalen Banken beschränkt sich jetzt auf Fax- und Telefonverbindungen.
Die Nervenenden des automatischen Kommunikationssystems für Banken laufen in drei riesigen Datenzentren zusammen: Eines steht in Amerika, ein zweites in Holland und das dritte am Rande des beschaulichen Schweizer Städtchens Diessenhofen TG.
Nach dem Swift-Ausschluss Russlands hat die Kantonspolizei Thurgau die Sicherheitsvorkehrungen vor Ort hochgefahren, wie die «NZZ» berichtet. Gross sei das Klumpenrisiko im Fall von Sabotage, heisst es im Bericht. Dieser Schritt sei gemäss Kantonspolizei in Absprache mit dem Unternehmen und unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Entwicklung in der Ukraine-Krise erfolgt.
Niemand hat so richtig Freude
Eine Industriefläche so gross wie elf Fussballfelder ist also für das internationale Bankensystem ungleich wichtiger als der Paradeplatz in Zürich – nur freuen tut sich im Thurgau kaum jemand darüber. «Das Gebäude sieht aus wie ein Gefängnis», sagt der grösste Teil der Dorfbewohner, als sich Blick vor Ort umschaut. Die wenigsten möchten mit Namen genannt werden oder in der Zeitung erscheinen.
Tatsächlich ist das Datencenter durch Mauern und Gitter geschützt und zu hoch, um mit einer Räuberleiter darüberzusteigen. Dahinter zieht sich eine Dornenhecke mit verstecktem Stacheldrahtgerüst um die Rechenräume. Überall sind Kameras angebracht. Regelmässig patrouillieren Sicherheitsleute.
Viele Fragezeichen – auch bei den Behörden
«Man fühlt sich fast etwas beobachtet hier», sagt Jasmin Rogg aus Diessenhofen, die mit ihrem Pferd gerade dem Datencenter entlangreitet. «Also schön ist anders», schiebt ihre Kollegin Bernadette Zürcher hoch zu Ross hinterher.
Dabei ist der Bau noch keine zehn Jahre alt. 2013 wurde das Gebäude fertiggestellt. Kurz vor dem Einbau der Hochleistungsrechner durfte Andreas Wenger (55) einen Augenschein nehmen. «Unter dem Boden gibt es über zwei Stockwerke grosse Rechnerhallen», erzählt der heutige Vize-Stadtpräsident von Diessenhofen. Viel mehr wisse er über das Swift-Gemäuer auch nicht.
Schweiz als Profiteur von Gezänk zwischen EU und USA
«Swift ist wohl das bestgehütete Geheimnis des Thurgaus», sagt Daniel Wessner vom Thurgauer Amt für Wirtschaft und Arbeit gegenüber der «Thurgauer Zeitung». Wie viele Leute da arbeiten oder was der Ausschluss von russischen Banken für das Rechencenter bedeutet: All das wissen die örtlichen Behörden nicht.
Vize-Stadtpräsident Wenger schätzt, dass rund zwei Dutzend Personen im Rechencenter arbeiten, «vorwiegend Sicherheitsleute und Gebäudetechniker». Weshalb ausgerechnet Diessenhofen der optimale Standort für das Swift-Netwerk ist, weiss auch er nicht so recht.
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Dass die Schweiz eines dieser prestigeträchtigen Zentren beheimatet, ist allerdings kein Zufall! Zwischen der EU und den USA schwelt seit Jahren ein Streit um den Zugriff auf die Swift-Daten. Die Amerikaner werten die Geldflüsse aus. Angeblich, um Terroristen zu jagen. Das stört die EU. Das dritte Swift-Center sollte deshalb im sicheren Hafen Schweiz gebaut werden, der seinerzeit vergleichsweise strenge Datenschutzregeln kannte.
Swift hüllt sich in Schweigen
Von Gemeindeseite musste man Swift die Stromzufuhr von zwei unterschiedlichen Anbietern garantieren – zur Sicherheit, falls die Versorgung eines Anbieters mal ausfallen würde. «Alle anderen Anforderungen sind streng geheim», so Wenger.
Blick hat direkt bei der Swift-Hauptzentrale nachgefragt. Der Mediensprecher liess die Fragen aber unbeantwortet. Es bleiben mehr Fragezeichen als Gewissheiten zu diesem grauen, geheimen Fleck im Thurgau.