Der Swatch-Hauptsitz ist ein faszinierendes Gebäude – und mit einem schillernden Patron dazu. Für das Blick-TV-Format «Hier fragt der Chef» hat CEO Nick Hayek (67) spontan zu einem Besuch der Swatch-Gruppe nach Biel BE eingeladen. Das Gespräch findet auf einem Rundgang statt und führt vom Nachbau des Mond-Mobiles im Omega-Museum über einen futuristischen Konferenzsaal zu den modernen Büros der Swatch-Angestellten.
Blick: An Ihrem Büro hängt eine Piratenflagge mit dem Motto «Breche die Regeln und provoziere». Was wollen Sie damit sagen?
Nick Hayek: Die Piratenflagge hängt aussen am Fenster, damit sie alle in der Firma sehen. Wir brauchen diese Geisteshaltung, dass wir nicht alles so akzeptieren, wie es mal war – sondern, dass wir den Mut haben, auch mal Risiken einzugehen. Es gilt, die Regeln zu brechen, um etwas Neues zu schaffen. Genau deshalb ist die Moonswatch eine Provokation!
Sie unterscheiden sich von vielen Wirtschaftsführern, wollen aufbrechen, etwas verändern, Neues schaffen. Woher nehmen Sie dafür die Energie und die geistige Frische?
Humor an erster Stelle und Unabhängigkeit. Wir haben eine Kultur der Unabhängigkeit, wir lassen uns weder von der Börse, dem Streben nach Gewinn oder Journalistenmeinungen noch von allgemeinen Verhaltensregeln treiben.
Wie widerstehen Sie Druck von aussen?
Es gibt gar nicht so viel Druck. Der Druck kommt nur durch den Vergleich mit dem Standardverhalten. Dass ich Zigarre rauche, gehört beispielsweise nicht zum Standard. Man will alle auf den gleichen Standard setzen, ihr Kopf darf ja nicht aus der Masse ragen. Ich rauche, weil ich Spass daran habe.
Macht die Provokation Spass?
Nein, ich frage die Leute ja auch, ob es sie stört, wenn ich rauche. Aber ich bin dagegen, dass sich alle Leute immer anpassen sollen. Das können sie aber nur, wenn sie finanziell unabhängig sind, keine Schulden haben. Deshalb können wir machen, was wir wollen, unabhängig davon, ob nun eine Bank einen Kredit kündigt oder nicht.
Nick Hayek (67) gilt als das «Enfant terrible» der Schweizer Uhrenindustrie. Zusammen mit seiner Schwester Nayla Hayek (71) leitet er die Bieler Swatch Group und führt das Erbe seines Vaters, Uhrenpionier Nicolas G. Hayek (1928–2010), erfolgreich weiter. Bevor er 1994 bei Swatch eintrat, studierte er an der Filmakademie und liess sich zum Regisseur ausbilden. Als Höhepunkt seines filmischen Schaffens gilt der Film «Family Express» (1992) mit Peter Fonda (1940–2019) in der Hauptrolle.
Nick Hayek (67) gilt als das «Enfant terrible» der Schweizer Uhrenindustrie. Zusammen mit seiner Schwester Nayla Hayek (71) leitet er die Bieler Swatch Group und führt das Erbe seines Vaters, Uhrenpionier Nicolas G. Hayek (1928–2010), erfolgreich weiter. Bevor er 1994 bei Swatch eintrat, studierte er an der Filmakademie und liess sich zum Regisseur ausbilden. Als Höhepunkt seines filmischen Schaffens gilt der Film «Family Express» (1992) mit Peter Fonda (1940–2019) in der Hauptrolle.
Was bringt Sie so richtig auf die Palme?
Richtig hässig werde ich nie, weil ich ja den Humor habe, der mich wieder runterholt. Mich bringt es auf die Palme, wenn Fakten nicht richtig dargestellt werden.
Wie sind Sie als Chef?
Da müssen Sie meine Leute fragen.
Gehören Sie zu den Mikromanagern, die jedes Detail wissen wollen?
Es kommt darauf an, was. Bei der Moonswatch war das so, da habe ich vom Start des Projekts bis zum Ende alles kontrolliert.
Warum – weil Sie alles besser wissen?
Nein, ich habe einen kreativen Input gegeben. Ich bin gelernter Filmregisseur. Wenn Sie einen Film machen, dann müssen Sie alle Fäden in der Hand halten. Aber es geht nicht darum, mehr zu wissen als die anderen, das weiss der Regisseur auch nicht. Aber er muss die Crew motivieren, damit er das Resultat bekommt, das er sehen will. Die Motivation geschieht über Lust, Spass und Risikobereitschaft. Bei der Moonswatch haben alle mitgezogen, weil sie begeistert waren, und nicht zuerst an die Risiken gedacht haben.
Die Moonswatch gibt es nur in ausgesuchten Läden und in begrenzter Stückzahl zu kaufen. Dort, wo es sie gibt, bilden sich lange Menschenschlangen. Ist das einfach ein billiger PR-Trick?
Es gibt keine limitierte Auflage, die Uhr wird laufend produziert. Aber die Nachfrage ist so gross, dass auch Monate nach der Lancierung Hunderte, ja gar Tausende Menschen vor den Geschäften warten, weil sie die Uhr haben wollen.
Der Kunde weiss nicht, ob er die Uhr wirklich bekommt, wenn er in den Laden geht!
Das ist kein PR-Coup oder -Trick, das ist unsere Strategie. Die Leute lieben diese Uhren, denn sie sind für das, was sie bieten, unschlagbar günstig.
Was ist denn so besonders an dieser Uhr, die doch 250 Franken kostet?
Wir verwenden ein ganz neues Material, Biokeramik. Dann die Zusammenarbeit mit Omega. Omega und Swatch – das ist eine Provokation der klassischen Uhrenindustrie, der ganzen Luxusgüterindustrie.
Kritiker sagen, die Uhr sei eine Billig-Omega. Schadet das nicht dem Luxusimage von Omega?
Nein, im Gegenteil. Denn auch die klassische Moonwatch von Omega profitiert von diesem Boom. Die Jungen kennen nun die Geschichte dieser Uhr, die auf dem Mond war. Ihre Verkäufe haben um 50 Prozent zugelegt. Gerade das braucht die Uhrenindustrie, dass man der Welt zeigt, was es für ikonische Uhren aus der Schweiz gibt – und welche Geschichten sich dahinter verbergen.
Die Moonswatch kann man nur in den Läden kaufen, nicht im Onlineshop. Wollen Sie die Digitalisierung rückgängig machen?
Überhaupt nicht. Die Leute wollen wieder rausgehen, die eigenen vier Wände verlassen, in realen Geschäften einkaufen. Es braucht nach der Pandemie wieder gemeinsame Erlebnisse.
Auch Smartwatches boomen. Haben Sie diese Entwicklung unterschätzt?
Das habe ich nicht unterschätzt. Das ist ganz ein anderer Markt, es gibt die smarten Uhren, und es gibt traditionelle Uhren. Wir sind keine Firma, die Unterhaltungselektronik produziert, wir machen weder Fernseher noch Mobile Phones. Dort können Sie ja auch die Zeit ablesen. Wir haben bei Tissot eine sehr erfolgreiche Smartwatch, die müssen Sie sechs Monate lang nicht aufladen. Das ist ein anderer Markt, der uns ein paar Zusatzverkäufe beschert.
In China sind immer noch viele Fabriken geschlossen, die Lieferengpässe sind enorm, Rohstoffe knapp. Inwiefern trifft das die Swatch Group?
Wir haben 150 Fabriken in der Schweiz und keine einzige in China. Wir machen alles selber und haben grosse Lager. Wenn Sie auf Gold, Diamanten oder andere Rohstoffe anspielen, reichen unsere Vorräte einige Jahre.
Die Unsicherheit ist gross: der Krieg in der Ukraine, Inflation, drohender Energiemangel. Spüren Sie schon eine Veränderung beim Kaufverhalten?
Nein, die Kunden wollen sich noch etwas Gutes tun. Es gibt so viele negative Meldungen, all diese Propaganda, egal, von welcher Seite. Beide Kriegsparteien betreiben Propaganda. Das ist wie ein Herdentrieb. Im Moment sind alle aufgeregt. Wir sollten alle mal kurz durchatmen, drei Schritte zurück machen und uns überlegen, was der Grund für diese lange Zeit des Friedens in der Vergangenheit war.
Erschreckt Sie die aktuelle Lage in Europa?
Natürlich! Mir macht es auch Angst, wie unsere Politiker und viele Journalisten reagieren. Macht doch alle einen Schritt zurück: Es war die Diplomatie, die den Kalten Krieg beendet hat. Aber Diplomatie heisst auch, man redet hinter geschlossenen Türen. Und nicht vor allen Journalisten und bei jeder Pressekonferenz.
Ihre Shops in Russland sind geschlossen. Wie ist die Situation für die Angestellten?
Die sind alle erschüttert. Die Russen empfinden das genau gleich wie wir, auch für sie ist es eine furchtbare Katastrophe, was gerade passiert. Dieser Krieg ist ein Riesenfehler, jeder Krieg ist ein Fehler.