Gleich zwei Schweizer Firmen schreiben diese Woche in den USA Wirtschaftsgeschichte: Die Börsengänge von On und Sportradar in New York sorgen global für Schlagzeilen. Die Laufschuhfirma geht ab wie eine Rakete, der Sportdatenanbieter beginnt die neue Ära gemächlicher.
Spannend: Basketball-Legende Michael Jordan (58) ist heute Investor bei Sportradar, machte ab der Mitte der 1980er-Jahre als Superstar die Sportschuhe von Nike zu einer globalen Marke. Genauso wie On dank Markenbotschafter und Investor Roger Federer(40) schon vor dem Börsengang weltweite Bekanntheit erlangte.
Kleines Binnenland ohne Ressourcen
Spektakuläre Börsengänge, Konzerne von Weltruf, Marken, die wirklich fast jedes Kind kennt: Das sind in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte keine Einzelfälle. «Schweizer Wirtschaftsgeschichte sollte weltweit an Schulen und Universitäten gelehrt werden», empfiehlt Wirtschaftshistoriker Bernhard Ruetz (53). «Es ist beeindruckend, wie es ein kleines Binnenland mit schwieriger Topografie und ohne natürliche Ressourcen in die Spitzenpositionen der Weltwirtschaft geschafft hat.»
Der Aufstieg beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts. Schon bald weist der junge Bundesstaat Wachstumsraten auf wie das britische Empire oder das Deutsche Reich. Damals wird das Fundament für den Reichtum und den wirtschaftlichen Erfolg gelegt.
Marketingpionier Bally
Auch Schuhe und Börsenspektakel gibt es schon: 1907 geht Bally an die Börse, ein globaler Konzern, mit Niederlassungen in Paris, London, Montevideo oder Buenos Aires. «Der Schweizer Binnenmarkt ist sehr klein. Das zwingt Unternehmer, sich schnell Märkte ausserhalb der Landesgrenzen zu erschliessen», erklärt Ruetz die Bedeutung der Schweizer Exportindustrie. Bally gilt auch als Marketingpionier, der mit seinen Plakatkampagnen international für Aufsehen sorgte.
Von einer Miniwohnung am Zürichsee innert elf Jahren an die Börse. Das Tempo von On ist atemberaubend, es geht aber noch schneller. Zwischen 1981 und 1988 braucht Logitech gerade mal sieben Jahre von einem Bauernhof in der Waadt an die Börsen von Genf und Zürich. Heute gehört die Firma zu den Weltmarktführern bei Tastaturen oder Computermäusen.
Die einmalige Schweizer Erfolgsformel: die lukrative Nische suchen, auf höchste Qualität setzen, veredeln und ständig optimieren. Schweizer Uhren galten und gelten für viele als das höchste der Gefühle am Handgelenk. Dafür stehen zum Beispiel Patek Philippe, Rolex oder Omega.
Junge retten Schweizer Uhrenbranche
Als es der Branche schlecht geht, setzt Swatch nicht auf edle Feinmechanik, sondern perfektioniert das Drumherum: «Swatch hat die Armbanduhr im Kampf gegen die Quarzuhren aus Japan dank innovativem Design und Marketing als Lifestyle-Produkt ‹neu erfunden› und wurde so zur Kultmarke», so Ruetz. Die Nische: Das waren die Jungen, die sich keine Schweizer Luxusuhr leisten konnten, aber alle paar Monate eine coole Swatch aus Plastik.
Als die Schweiz im vorletzten Jahrhundert von der Getreide- auf die Milchwirtschaft umstellt, gilt es die Milchschwemme zu veredeln. Dazu braucht es den Erfindergeist von Rudolf Lindt (1855–1909), der die Conchiermaschine erfindet. Diese verhilft der Schweizer Milchschokolade zu Weltruhm und begründet das Schoggi-Imperium von Lindt & Sprüngli. Der Konzern mit dem Goldhasen setzt auf den gleichen Markenbotschafter wie jetzt On: Tenniscrack Federer.
Eine idealtypische Umsetzung des Prinzips Veredelung lässt sich beim Nahrungsmittelmulti Nestlé erkennen. Gross geworden mit dem Verkauf von Milchpulver, importiert der Konzern Jahrzehnte später alle Zutaten, um aus der Schweiz heraus einen weiteren Verkaufsschlager zu lancieren: die Nespressokapsel. Keinen der Rohstoffe gibt es in der Schweiz – selbst Markenbotschafter George Clooney (60) ist ein Import aus Hollywood.