«Nervös war ich erst zwei Minuten, bevor die Glocke geläutet hat», sagt ein strahlender Carsten Koerl (56) zu Blick. Sein Börsengang von Sportradar startete erfolgreich. Der CEO und Gründer des Sportdatenanbieters aus St. Gallen hat soeben mit Basketball-Legende Michael Jordan (58) das Börsenzeitalter der Ostschweizer eingeläutet. Jordan ist Investor und Botschafter von Sportradar. Mit ihnen feiern auch Nasdaq-Chefin Adena Friedman (52) und Todd Boehly, der den Börsengang nutzt, um nun gross bei Sportradar einzusteigen.
Doch auch nach dem Börsengang bleibt die Kontrolle über Sportradar bei Gründer Koerl, der sich mit Börsengängen auskennt. Den finanziellen Grundstein für das Datengeschäft, das heute über 3000 Mitarbeiter beschäftigt, legte der leidenschaftliche Sportler vor 20 Jahren, als er den Wettanbieter Bwin an die Wiener Börse brachte.
Ein Milliarden-Gigant
Damals ging es um Millionen, heute um Milliarden. Für 27 Dollar wird eine Sportradar-Aktie ausgegeben. «Die ersten zwei Stunden des Börsengangs sind die spannendsten», so Koerl. «Danach wissen wir, wie viel Geld wir für weiteres Wachstum bekommen.»
Der Börsengang spült der Firma bis zu 750 Millionen Dollar in die Kasse, macht sie schlagartig 7,4 Milliarden Dollar wert. Das ist etwas weniger als prognostiziert. Denn der erste Handelstag verlief nicht ganz nach Wunsch. Die Aktie ging mit 25.05 Dollar aus dem Handel, ein Minus von 7,2 Prozent gegenüber dem Ausgabepreis.
Trotzdem ist der Tag ein Erfolg, der den Grundstein für weiteres Wachstum legt. «Für einen erfolgreichen Börsengang braucht es harte Arbeit, gutes Timing und etwas Glück.» Glück, das bedeutet für Koerl, es an die Nasdaq geschafft zu haben – an die wichtigste Techbörse der Welt. «Die Schweiz ist für mich Heimat. Aber für ein Technologie- und Softwareunternehmen ist die Nasdaq das höchste der Gefühle», schwärmt der Gründer.
Daten als wertvoller Rohstoff
Während des Videogesprächs mit Blick sitzt der gebürtige Allgäuer im sogenannten Board Room der Nasdaq. An den Wänden hängen wie Ikonen die Bilder der Börsengänge von Amazon, Apple, Google & Co. Hier hat die Börsenkarriere vieler Tech-Giganten begonnen.
Hier holt sich ein Schweizer Start-up, inzwischen ein globaler Datengigant, bei dem unter anderem Ringier-Chef Marc Walder (56) im Verwaltungsrat sitzt, das Startkapital für einen riesigen Zukunftsmarkt. Erst seit 2019 sind Sportwetten in den USA erlaubt. Koerl schätzt das Marktpotenzial auf bis zu 35 Milliarden Dollar – eine Goldgrube für einen Sportdatenanbieter. Denn die Daten sind der Rohstoff, auf dem die Wetten aufbauen.
Viel Arbeit für Polizei
Dieser Börsengang ist selbst für die USA ein grosser. Doch was bleibt der Schweiz davon? Vieles, ist Koerl überzeugt, der seit Jahren in der Ostschweiz lebt. «Die Schweiz profitiert in vielfacher Weise von Sportradar. Unser Hauptsitz ist in St. Gallen. Hier laufen die operativen Geschäfte zusammen, es werden neue Jobs entstehen.»
Momentan bedeutet das erst mal viel Arbeit für die Behörden. «Wir treiben die Polizei in St. Gallen zur Verzweiflung», sagt Koerl und schmunzelt. «Das gesamte Topmanagement muss seine Fingerabdrücke abliefern, damit wir Daten für Sportwetten in den USA anbieten dürfen. Analog mit dem Tintenkissen, nicht digital.» Das Topmanagement umfasst 15 Leute, die einen kompletten Satz Fingerabdrücke inklusive zweier Handabdrücke geben müssen. Und das für jeden der 24 US-Bundesstaaten, die inzwischen Sportwetten erlauben.