Männer in schwarzen Anzügen betreten mit Koffern voller Bargeld eine Bankfiliale in der Schweiz. Ihre Silhouetten spiegeln sich an den Marmorwänden. Sie werden erwartet. Mit zielstrebigem Schritt gehen sie auf den Bankangestellten zu, der sie in ein grosszügiges Hinterzimmer führt. Diskretion steht an oberster Stelle. Das Geschäft wird eingefädelt, die Kunden verschwinden, ein anrüchiger Geschmack bleibt. Was eine Szene in einem Scorsese-Thriller sein könnte, war in Schweizer Banken in den Nullerjahren Alltag. «Das war eine völlig andere Zeit», sagt Rechtsexperte Peter V. Kunz (57).
Solche Szenen sollen sich zwischen 2004 und 2007 auch in Credit-Suisse-Filialen abgespielt haben. Die Bank muss sich derzeit vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona TI wegen des Verdachts auf qualifizierte Geldwäscherei verantworten. Ein Mafia-Netzwerk aus Bulgarien soll von 2004 bis 2007 zwischen 40 und 70 Millionen Franken Drogengeld über die Schweizer Grossbank gewaschen haben. Die CS weist alle Vorwürfe von sich.
Kunz ist neben Monika Roth (70) der einzige Compliance-Experte, der sich zur Thematik äussert. Mehrere grosse Wirtschaftsprüfungsfirmen winken gegenüber Blick ab. Die Schweizer Finanzinstitute sind für Wirtschaftsprüfer wichtige Kunden, die man nicht in ein schlechtes Licht rücken will.
«Wer nichts sehen will, fragt nicht nach»
Das unrühmliche Kapitel des Schweizer Bankenplatzes dürfte ihnen aber auch aus einem anderen Grund zu heiss sein. Kunz gibt zu bedenken: «Bereits in den Nullerjahren wurde Geldwäscherei im Zusammenhang mit Drogen- oder Waffenhandel sehr ernst genommen.» Roth wird noch deutlicher: «Der Fall hätte sich schon in der fraglichen Periode nicht ereignen dürfen. Die Regeln waren da schon klar.»
Roth ist überzeugt, dass viele Verfehlungen eine Prinzipienfrage sind: «Wer nichts sehen will, fragt nicht nach.» Die Nullerjahre waren der perfekte Nährboden für eine solche Mentalität. Der Schweizer Finanzplatz galt mit seinem Bankgeheimnis als Paradies für ausländische Steuerhinterzieher. Verschwiegenheit stand an erster Stelle, im Gegensatz zu Abklärungen über die Herkunft von Geldern. Die Kundeneinlagen bei den Schweizer Banken stiegen in schwindelerregende Höhen. Doch die Zeiten haben sich geändert. «Mit Blick auf die vorgeworfenen Tatbestände ist der CS-Prozess ein Blick weit zurück in die Vergangenheit. Heute wäre ein solcher Fall schlicht und ergreifend undenkbar», sagt Kunz.
«Erhebliche Verschärfungen»
Die Schweiz musste ihre Regulierungen Ende der Nullerjahre massiv hochfahren – der internationale Druck wurde zu gross. «Besonders bei Geldwäscherei im Zusammenhang mit Steuerschwarzgeld gab es erhebliche Verschärfungen», sagt Kunz. Das Bankgeheimnis sei bei Vermögen heute praktisch inexistent, anonyme Bankkonten gehörten der Vergangenheit an und die Banken müssten in verdächtigen Fällen zusätzliche Informationen über die Herkunft der Gelder einholen, zählt der Rechtsexperte auf.
Gemäss Roth sind auch die Zeiten vorbei, in denen Männer mit Koffern voller Geld in Bankfilialen aufkreuzten: «Das gibt es vielleicht noch in James-Bond-Filmen, aber bei keiner seriösen Bank.»
Banken schauen genauer hin
Dass die strengeren Regulierungen wirken, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Von 2004 bis 2014 wurden in der Schweiz jährlich gut 1100 Verdachtsfälle auf Geldwäscherei gemeldet. Zwischen 2015 und 2019 waren es bereits über 4700 pro Jahr. Auch die durchschnittlichen Beträge bei den Verdachtsfällen sind von 1,67 Millionen Franken auf 4,71 Millionen deutlich angestiegen. Die Zahlen stammen aus einem umfassenden Bericht des Bundes zur Bekämpfung der Geldwäscherei vom Oktober 2021. Der Anstieg wird in dem Bericht nicht etwa auf eine grundlegende Zunahme von Geldwäscherei-Fällen in der Schweiz zurückgeführt, sondern auf ein gestiegenes Bewusstsein bei den Banken, dass Kunden Konten zur Geldwäscherei missbrauchen könnten. Die Banken schauen also genauer hin.
Dafür haben viele Banken während der letzten 15 Jahre massiv in ihre Kontrollsysteme investiert, wie Kunz sagt: «Es gibt wohl keinen Bankenbereich, der in dieser Zeit ähnlich stark ausgebaut worden ist.»
Behörden haben aufgerüstet
Roth macht für die Zunahme der Meldungen einen weiteren Grund aus: «Die Verletzung der Meldepflicht wird vom Eidgenössischen Finanzdepartement verfolgt und die Behörde hat diesbezüglich aufgerüstet.» Zudem sei sicher auch die bundesgerichtliche Praxis ein Treiber. «Die Schwelle für eine Verletzung der Meldepflicht ist tief.»
Roth und Kunz sind überzeugt, dass das Schweizer Gesetz zur Bekämpfung der Geldwäscherei ausreicht. Mit einer Ausnahme: Aus ihrer Sicht müsste für Juristen und Treuhänder bei Beratungen in Vermögensfällen das Geldwäscherei-Gesetz ebenso greifen. Doch egal, wie stark die Regeln und der Vollzug künftig verschärft werden: «Es wird leider immer Fälle geben, bei denen man erst im Nachhinein klüger ist», sagt Kunz.