Die Credit Suisse kommt nicht aus den Schlagzeilen, vor allem den negativen. Nun hat sie es sogar auf die Anklagebank geschafft, muss sich ab Montag vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona TI für ihre Beziehungen zu einem kriminellen Netzwerk aus Bulgarien verantworten. Es geht um Kokainhandel und – im Falle der Schweizer Bank – um Geldwäsche in grossem Stil. Auch Mord kommt in dem Wirtschaftskrimi vor.
Der grosse Böse, aber auch der grosse Abwesende: Das ist Ewelin Banew (57), ein bulgarischer Krimineller, der in verschiedenen Ländern zu über 36 Jahren Haft verurteilt wurde. Der «Kokainkönig» ist der Chef eines kriminellen Netzwerks, das Dutzende Tonnen von Kokain aus Lateinamerika nach Europa importierte. Interne Widersacher soll er per Auftragskiller aus dem Weg geräumt haben.
Ausflug in vergangene Zeiten
Kurz vor Erhebung der Anklage hat die Bundesanwaltschaft allerdings auf ein Verfahren gegen Banew verzichtet. Die Hoffnung, seiner habhaft zu werden, beurteilten die Schweizer Strafverfolger als zu gering. Vielleicht nicht ganz zu Unrecht. Denn der Bulgare wurde zwar im vergangenen Jahr in der ukrainischen Hauptstadt Kiew verhaftet, soll sich aber inzwischen wieder auf freiem Fuss befinden – dank eines plötzlich aufgetauchten ukrainischen Passes, der ihn vor Auslieferung schützt.
Andere können sich nicht so leicht dem langen Arm der Schweizer Strafverfolger entziehen: Neben der CS und einer ihrer ehemaligen Anlageberaterinnen sind zwei Bulgaren und ein ehemaliger Angestellter der Bank Julius Bär angeklagt. Die beiden Anklageschriften sind zusammen über 600 Seiten dick und geben einen tiefen Einblick in die organisierte Kriminalität in Bulgarien kurz nach der Jahrtausendwende.
Und in Zeiten, als auf dem Finanzplatz Schweiz das Bankgeheimnis noch als sakrosankt und unknackbar galt, Finanzminister davor warnten, dass sich das Ausland daran «die Zähne ausbeissen» werde. Geldwäscherei? Kein Thema. Weissgeldstrategie? Dieses Wort sollte erst Jahre später erfunden werden.
Millionen gewaschen
Konkret wirft die Bundesanwaltschaft der CS und den anderen Angeklagten qualifizierte Geldwäscherei in den Jahren 2004 bis 2007 vor. Das Geld – je nach Darstellung – 40 bis 70 Millionen Franken soll über die Konten der Schweizer Grossbank gewaschen worden sein. Geschäftserlöse aus dem Kokainhandel: ein lukratives Geschäft. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass der Gewinn pro Tonne Kokain an die 30 Millionen Euro betrug.
Die Bundesanwaltschaft holt weit aus, um die kriminellen Machenschaften von Banew und seiner Bande aufzuzeigen, zeichnet nach, wie einst staatlich geförderte Ringer nach dem Ende des Kommunismus in die Fänge mafiöser Strukturen gerieten. Oder wie der Ex-Ringer Banew gleich selbst eine kriminelle Organisation gründete. Und lässt anklingen, dass Banew etwas mit der Ermordung seines Finanzchefs, mit dem sich der Drogenkönig verkracht hatte, zu tun haben könnte. Dieser wurde am 14. Mai 2005 auf offener Strasse erschossen.
Credit Suisse weist Vorwürfe zurück
In diesem Wirtschaftskrimi muss sich die Credit Suisse im Rahmen der Unternehmens-Strafbarkeit wegen qualifizierter Geldwäscherei verantworten. Die Bundesanwälte sind der Ansicht, die Bank habe nicht alle notwendigen organisatorischen Massnahmen ergriffen, um zu verhindern, dass die Gelder kriminellen Ursprungs auf Konten eingezahlt wurden, die von Banews Vertrauensleuten eröffnet worden waren.
Dagegen wehrt sich die Bank: «Die Credit Suisse weist die in dieser vergangenheitsbezogenen Angelegenheit gegen sie erhobenen Vorwürfe in aller Form zurück und ist auch von der Unschuld ihrer ehemaligen Mitarbeiterin überzeugt. Die Credit Suisse wird ihre Position vor Gericht entschlossen verteidigen.»
Mit der Angelegenheit vertraute Kreise lassen durchblicken, dass es sich bei den Geldern auf den CS-Konten um Erlöse aus legalen Immobiliengeschäften in Bulgarien gehandelt haben soll. Auch die Koffer voller Bargeld, welche die Anklageschrift beschreibt, liessen sich mit den damaligen Geschäftsgepflogenheiten erklären. So war es in Bulgarien offenbar üblich, die Hälfte einer Immobilie in bar zu bezahlen, um den Steuerwert der Wohnung zu drücken.
Ein Bauernopfer?
Mit auf der Anklagebank sitzt eine ehemalige Spitzentennisspielerin aus Bulgarien, die nach der Sportkarriere als Kundenberaterin erst bei der UBS, dann bei der CS Konten von Landsleuten betreute. Auch ihr wirft die Anklage qualifizierte Geldwäscherei vor, listet seitenweise auf, wie die Frau die starken Hinweise auf den kriminellen Ursprung der Gelder angeblich ignorierte. Gegenüber der «NZZ» sieht sich die Bulgarin als «Bauernopfer», fragt sich: «Wo sind all die feinen Banker hingekommen, die damals die Verträge unterschrieben haben?»
Das Dilemma: Um die CS überhaupt anklagen zu können, braucht es eine natürliche Person, also einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin, die eine strafbare Handlung begangen hat. Dafür braucht die Anklage die Ex-Tennisspielerin!
Bald alles verjährt?
Nicht nur die Untersuchung dauerte lange, auch der Prozess ist monströs. Vom Beginn bis zur Erhebung der Anklage vergingen über zwölf Jahre, drei Bundesanwälte bissen sich daran die Zähne aus. Für die Verhandlung vor dem Bundesstrafgericht sind 20 Verhandlungstage anberaumt, es wird mit epischen Befragungen und Plädoyers gerechnet.
Die Verteidigung will mit Tausenden Dokumenten die Unschuld der Bank und der anderen Angeklagten beweisen. Und über allem schwebt das Damoklesschwert der Verjährung: Der Straftatbestand der qualifizierten Geldwäscherei verjährt nach 15 Jahren, also im Laufe des Jahrs 2022.