In der Affäre um den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz (65) gibt es einen ersten juristischen Entscheid. Vincenz' Ex-Frau Nadja Ceregato (50) ist per Strafbefehl wegen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses verurteilt worden, wie «SRF» berichtet.
Pierin Vincenz war bis 2015 Chef der Raiffeisen. Seine damalige Frau Nadja Ceregato blieb auch nach dessen Ausscheiden als Rechtschefin bei der Bank. Im Januar 2018, also drei Jahre nach seinem Abgang, schickte sie ihm 29 Fotos geheimer Raiffeisen-Unterlagen via Whatsapp, so «SRF».
Geheime Unterlagen zu Vincenz' Investnet-Beteiligung
Zu diesem Zeitpunkt waren gegen Vincenz bereits Strafanzeigen wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung hängig. Eingereicht hatten die Strafanzeigen die Raiffeisen-Bank sowie die Kreditkartengesellschaft Aduno, ebenfalls ein ehemaliger Arbeitgeber Vincenz'. Er soll bei seinen Beteiligungen und Verstrickungen bei Raiffeisen, Aduno und der Investmentgesellschaft Investnet ein falsches Spiel gespielt und in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.
Bei den Fotos, die Ceregato an Vincenz verschickte, ging es um eben diese Raiffeisen-Tochterfirma Investnet. Vincenz war zu diesem Zeitpunkt immer noch an Investnet beteiligt, präsidierte die Firma gar. Raiffeisen wollte Vincenz bei Investnet loswerden. Welches Angebot man ihm genau machen wollte, sollte Vincenz aber nicht im Vorfeld erfahren – um keinen Verhandlungsvorteil zu erhalten.
Über Umwege gelangten die geheimen Pläne der Raiffeisen zum Ende von Vincenz' Engagement bei Investnet aber auch zu Ceregato – und von dort direkt zu Vincenz selber.
Dafür ist Ceregato nun per Strafbefehl wegen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses verurteilt worden. Auf Anfrage von «SRF» wollen sich weder Raiffeisen noch Ceregatos oder Vincenz' Anwälte zum Strafbefehl äussern. Ceregato kassiert eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 90 Franken. Obendrauf eine Busse von 2700 Franken. Hinzu kommen noch Verfahrenskosten. Die Summe beläuft sich unter dem Strich auf 37'000 Franken.
Vincenz drohen sechs Jahre Haft
Kurze Zeit nach der Weitergabe der geheimen Dokumente an Vincenz, wurde dieser im März 2018 festgenommen. Er kommt erst drei Monate später wieder frei. Die Ermittlungen zur Vincenz-Affäre umfassen mehrere hundert Bundesordner. Allein die Anklageschrift ist über 350 Seiten lang.
Die Staatsanwaltschaft wirft Vincenz und seinem Mitbeschuldigten Beat Stocker, Ex-Chef von Aduno, gewerbsmässigen Betrug, Veruntreuung, Urkundenfälschung und passive Bestechung vor. Sie sollen sich unrechtmässig Millionenbeträge zugeschachert haben.
Der Prozess findet im Januar 2022 vor dem Bezirksgericht Zürich statt. Vincenz droht eine Haftstrafe von bis zu sechs Jahren. (sfa)