Viele Menschen in der Schweiz träumen von einem Eigenheim. Mit steigenden Hypothekarzinsen kann aus diesem Traum aber rasch ein Albtraum werden. Bei Blick haben sich mehrere Personen gemeldet, denen die steigenden Zinsen zu schaffen machen – oder die gar über einen Verkauf des Eigenheims nachdenken müssen. Hinstehen will niemand. Über Finanzen spricht man in der Schweiz grundsätzlich nicht gerne. Geplatzte Hausträume sind auch ein aufwühlendes Thema und in keiner Statistik erfasst. «Die steigenden Hypothekarzinsen werden bereits jetzt für einige Eigenheimbesitzer zu einer finanziell spürbaren Belastung und dürften einige zum Verkauf bewegen», sagt Donato Scognamiglio (52), Chef der Immobilienberatungsfirma IAZI.
Darauf deutet auch das gestiegene Immobilienangebot hin. Schweizweit standen im 1. Quartal 2023 30 Prozent mehr Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser zum Verkauf als vor einem Jahr, wie Zahlen von Wüest Partner zeigen. Besonders stark ist die Zunahme in städtischen Gebieten. Genf verzeichnet ein Plus von über 50 Prozent, in Zürich hat sich das Angebot gar verdoppelt. Und es könnte weiter nach oben gehen. «Die kurzfristigen Verkaufsabsichten sind im Vergleich zum Vorjahr angestiegen», sagt Marco Tomasina, Mediensprecher des Online-Hypothekenvermittlers Moneypark.
30'000 Franken nur für die Hypothekarzinsen
Gemäss der Schweizerischen Nationalbank kostet eine 5-jährige Festhypothek derzeit im Mittelwert 3,04 Prozent und eine 10-jährige 3,14 Prozent. «Ab drei Prozent wird die Belastung des Eigenheims für einige eine Herausforderung», sagt Scognamiglio. Doch wie kann das sein? Schliesslich berechnen die meisten Banken die Tragbarkeit mit einem Zinssatz von fünf Prozent. Das müsste eigentlich Luft schaffen. «Eine Scheidung, ein neuer Job oder Kinder können die Einkommenssituation jedoch wesentlich verändern und sind die häufigsten Gründe, dass jemand sein Eigentum verkaufen muss», erklärt Scognamiglio. Gerade Paare kaufen ihr Eigenheim oft, wenn beide praktisch Vollzeit arbeiten. Kommt Nachwuchs, nimmt das Pensum und entsprechend das Einkommen ab.
Wie fatal sich in solchen Fällen die Zinserhöhung auswirkt, zeigt ein Rechenbeispiel: Eine Familie hat im Raum Zürich ein Haus mit 140 Quadratmetern für 1,5 Millionen Franken gekauft und mit einer Million belehnt. 2019 konnte sie bei den günstigsten Anbietern eine 5-jährige Festhypothek für unter einem Prozent abschliessen – macht Zinskosten von 10'000 Franken pro Jahr. Muss die Familie die Hypothek nun erneuern, zahlt sie bei 3 Prozent Zinsen bereits 30'000 Franken pro Jahr.
Grössere Wohnungen, zwei Autos und immer mehr Schulden
Reicht das Einkommen für die Zinsen nicht mehr aus, muss das Ersparte her – eigentlich. «Viele Leute haben in Zeiten von tiefen Zinsen das eingesparte Geld nicht zur Seite gelegt, sondern lieber ein zweites Auto gekauft oder sind öfters in die Ferien verreist», gibt Scognamiglio zu bedenken. Das günstige Geld im vergangenen Jahrzehnt war zudem ein Anreiz dafür, sich ein etwas grösseres Eigenheim zu leisten. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Person in Eigentumswohnungen ist über die Jahre gestiegen und beträgt heute 54 Quadratmeter, wie Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen. Das sind 13 Quadratmeter mehr als in Mietwohnungen.
Und dann wären da noch die Immobilienpreise selbst: Diese sind seit der Jahrtausendwende 50 Prozent stärker gestiegen als die Einkommen. Und sind damit einer der Haupttreiber für die ebenfalls massiv gestiegene Verschuldung der Privathaushalte. Der Schweizer Hypothekarmarkt ist mittlerweile rund 1200 Milliarden Franken schwer. Das wäre vor allem bei sinkenden Hauspreisen ein Problem. Derzeit können die meisten Besitzer ihr Eigenheim aber meist noch ohne Verlust verkaufen.