Auf einen Blick
- Lugano lockt Superreiche, um Schuldenberg abzubauen
- Immobilienpreise steigen, Einheimische werden verdrängt
- Ende 2023 betrugen die Schulden 990 Millionen Franken
Die Reichen sollen es richten: Die Stadt Lugano TI schiebt seit über zehn Jahren einen riesigen Schuldenberg vor sich her. Marco Chiesa (50) rührt deshalb die Werbetrommel. Der ehemalige SVP-Präsident und Ständerat ist in der Stadtregierung für die Finanzen zuständig und will mehr reiche Steuerzahler nach Lugano locken. Mitte November will die Stadt an einem Anlass in London superreiche Steuerflüchtlinge von der Schönheit des Tessins überzeugen.
Lugano hat bereits in den letzten Jahren einen grossen Zuzug von Pauschalbesteuerten erlebt. Darunter fallen reiche Ausländer, die hierzulande kein Geld verdienen und die ihre Steuern basierend auf ihrem Lebensaufwand entrichten können. Rund 1000 Pauschalbesteuerte leben derzeit in Lugano. Das reichste Prozent bezahlt gemäss Chiesa 31 Prozent der Steuern.
Negative Auswirkungen für Einheimische
Doch das reicht vorne und hinten nicht. Ende 2023 betrugen die Schulden gut 990 Millionen Franken. Fürs nächste Jahr ist das Budget tiefrot. Deshalb müsse man die Steuern für juristische Personen, also Unternehmen, erhöhen, so Chiesa. Eine unerfreuliche Massnahme, da die Stadt so an Attraktivität verliert und man eigentlich wachsen wolle.
Lugano hat in der Finanzkrise ab 2007 massiv Schulden angehäuft. Der Tessiner Finanzplatz erlebte einen einschneidenden Abbau. Die Steuereinnahmen durch juristische Personen hatte sich innerhalb weniger Jahre praktisch halbiert.
Damit die Stadt in Zukunft wieder an finanziellem Spielraum gewinnt, sollen weitere Superreiche ihre Papiere nach Lugano bringen. Doch das löst im Ort auch Widerstand aus. Mit dem Zuzug der vielen Millionäre sind Immobilienpreise in Lugano stark gestiegen. Einheimische werden verdrängt. Luxusläden haben das Bild in den Einkaufsstrassen verändert. Einheimische fahren zum Einkaufen mit dem Auto über die Grenze nach Italien.
Reiche hier, Ärmere dort
In Lugano führt die Entwicklung zu einer verstärkten Segregation. Oben am Hang leben immer mehr Reiche und unten in teils schäbigen Mehrfamilienhäusern die Mittelschicht und Migrantenfamilien. Man dürfe die untere Mittelschicht nicht vergessen, sagt Marco Imperadore, Quartierkommissionspräsident von Pregassona, zu SRF.
Im aktuellen Centi-Millionaire-Report gehen die Experten davon aus, dass sich die Zahl der Superreichen in der Region Lugano in den nächsten 15 Jahren verdoppelt. Für die Immobilienbranche und die Gemeindekasse wäre das ein Segen. Für viele Einheimischen wohl weniger.