Auf einen Blick
- Stadler Rail: Gewinnwarnung und neue Flirt-Züge für die SBB
- Peter Spuhler erklärt, wie die Unwetter in Europa mit der Gewinnwarnung zusammenhängen
- Spuhler über die Wahlen in Deutschland und den USA
Es ist bitterkalt in der neuen Instandhaltungshalle der SBB-Tochter Thurbo in Weinfelden TG. Denn die Halle gibt es erst im Rohbau, die Novemberkälte pfeift durch alle Ritzen. Trotzdem ist die Stimmung gut, auch bei Stadler-Patron Peter Spuhler (65). Dabei ist es bei ihm ein Tag zwischen Flirt und Frust. Frust, weil Spuhler am frühen Morgen noch vor der Präsentation der neuesten Generation der Flirt-Züge eine Gewinnwarnung für Stadler Rail den Aktionären erklären muss.
Blick: Kommt heute beides zusammen – Frust und Lust?
Peter Spuhler: Das ist leider so. Heute sind zwei Ereignisse aufeinandergetroffen, ein Positives und ein Negatives. Das lässt sich nicht immer so planen.
Hier in Weinfelden ist Lust aber schon grösser?
Wir sind sehr stolz, zusammen mit den SBB die Erfolgsgeschichte der Flirt-Züge fortschreiben zu können. Bislang haben wir über 2700 Bestellungen von Flirts in 24 Länder ausliefern können.
Peter Spuhler und Stadler Rail
Wie kommt man auf so einen Namen für einen Zug?
Der Name des ersten von Stadler entwickelte Gelenktriebwagens war mit GTW nicht sehr sexy. Als wir den Flirt-Auftrag der SBB gewonnen haben, wollten wir einen besseren lancieren und ein Stadler-Mitarbeiter, Toni Zimmermann, hatte die Idee Flirt. So entstand die Bezeichnung Flinker Leichter Innovativer Regional-Triebzug – kurz Flirt. Und das Beste: Das funktioniert auch auf Englisch – Fast light innovative regional train.
Die Aktionäre von Stadler Rail waren heute kaum zum Flirten aufgelegt, der Kurs ist stark eingebrochen.
Das tut mir wirklich leid für unsere Aktionäre. Dagegen können wir nicht viel tun, wir sind unverschuldet von Unwetterereignissen getroffen worden. Erst im Juni bei Constellium im Wallis, wo wir mehrere tausend Tonnen Aluminiumprofile beziehen. Dann in Niederösterreich, wo ein Doppelstockzug nach einem Dammbruch geflutet und damit zerstört wurde. Schliesslich trifft uns das schwere Unwetter in Valencia. Deshalb mussten wir eine Gewinnwarnung herausgeben, was zu dieser Kurskorrektur um 10 Prozent geführt hat.
Als Laie fragt man sich: Wieso kann man diese Profile nicht doch noch verwenden, wenn sie wieder sauber und trocken sind?
Den Dreck und Schlamm bringen sie nie mehr ganz aus den Hohlräumen raus. Das Risiko ist viel zu gross, dass sich während der Lebensdauer von rund 30 Jahren Korrosion bildet und ein grosser Schaden entsteht.
Durch die Unwetter in Valencia hat Stadler an die 200’000 Arbeitsstunden verloren. Wie lässt sich das wieder aufholen?
Von den 3000 Angestellten leben 600 im stark beschädigten Süden der Stadt. Die kommen im Moment gar nicht ins Werk, weil die Verkehrsverbindungen immer noch unterbrochen sind. Rund 30 wichtige Zulieferer wurden massiv getroffen. Die Fabriken sind momentan unbrauchbar, deshalb fehlen uns wichtige Teile und Komponenten. Fehlt nur ein Teil eines Zuges, kann dieser nicht ausgeliefert werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit einem Aufholprogramm die entstandene Verzögerung im nächsten Jahr aufholen. Dies ist uns bereits in der Corona-Pandemie erfolgreich gelungen.
Nicht nur das Wetter, auch die Politik spielt verrückt. Wie stark beunruhigt sie das Chaos in der deutschen Politik?
Ich bin zum Glück Schweizer und nicht Deutscher Staatsbürger (lacht). Aber auch wir spüren die Verunsicherung, die Konsumentenstimmung ist schlecht. Ich hoffe, dass es mit dem anstehenden Regierungswechsel besser wird. Aber ob eine Grosse Koalition mit der SPD oder gar eine Dreiparteienregierung es wirklich schaffen wird, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, bin ich mir nicht so sicher.
Wie viel Hoffnungen setzen Sie in Friedrich Merz (69), den Sie gut kennen?
Ja, ich kenne Friedrich Merz gut, er war 14 Jahre lang Verwaltungsrat bei Stadler. Wichtig wäre es, dass in Deutschland in der Wirtschaft wieder eine Aufbruchstimmung entsteht. Das gilt gerade auch für die Autoindustrie, die darniederliegt. Das hat auch mit politischen Fehlentscheiden zu tun, weil man mit dem Verbrennerverbot etwas durchgedrückt hat, was der Konsument so schnell vielleicht gar nicht gewollt hat.
Ist ein Vorteil, einen guten Draht zum wohl nächsten deutschen Bundeskanzler zu haben?
Das weiss ich dann vielleicht nach der Wahl. Aber ich drücke ihm auf alle Fälle die Daumen. Der Kontakt ist nach wie vor eng, er hat uns an der letzten Verwaltungsratssitzung in Berlin besucht und mit uns zu Abend gegessen. Deutschland muss wieder die Wirtschaftslokomotive von Europa werden, sonst wird es schwierig.
Auch die USA stehen nach der Wahl von Donald Trump (78) vor turbulenten Zeiten. Macht Ihnen das Sorgen?
Politisch würde ich in den USA die Republikaner wählen, aber Trump ist mit seiner flegelhaften und sprunghaften Art dem Amt eines US-Präsidenten unwürdig. Ich bin froh, musste mir nicht überlegen, wen ich gewählt hätte. Harris ist mir einfach zu links. Trump hat in seiner ersten Amtszeit aber auch einiges richtig gemacht. Zum Beispiel, dass er den Chinesen wegen der staatlich subventionierten Exportpreise eins auf die Finger gegeben und die europäischen Nato-Staaten daran erinnert hat, ihren finanziellen Verpflichtungen für ihre Verteidigung nachzukommen.
Neue Zölle würden auch Stadler treffen?
Das lässt sich noch nicht abschätzen. Wir haben ein Werk in den USA und unterstehen dem Buy-American-Act. Das heisst, mindestens 60 Prozent der Wertschöpfung müssen wir in den USA erbringen, was uns auch gelingt, da wir dort ganze Züge bauen.