Von Karl Lagerfeld (1933–2019) stammt der Spruch: «Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.» Wolfgang Joop (78) ist überzeugt, Mode werde «erst an einem geilen Arsch» zum Kunstwerk.
Solche Sätze sind vom St.Galler Modezar Albert Kriemler (63) nicht zu hören. Er kommt zurückhaltend und diskret daher. Ab und zu sieht man ihn in der Oper. Ansonsten weiss man wenig über den Mann, dessen Entwürfe im New Yorker Luxuskaufhaus Bergdorf Goodman für Preise zwischen von 150 bis 9000 Dollar zu haben sind.
Aktuell ist im Zürcher Museum für Gestaltung die Ausstellung «Akris. Mode. selbstverständlich» zu sehen. Die Ausstellung liefert vor allem eines: Akris-PR. Die Vernissage war proppenvoll, einmal mehr zeigte sich: Die Schweiz liebt Akris, das einzige Luxuslabel aus der Schweiz, das in Paris gross auftreten kann.
Doch die Ausstellung klammert ein Kapitel etwas aus: Die meisten Mitarbeitenden hat Akris schon länger in Rumänien. Von dort fliegen Akris-Produkte in die weite Welt, ohne Schweizer Boden berührt zu haben. In Onlineshops heisst das dann: «Made in Romania» – mit dem Zusatz: «Direkt gemanagt von Akris Schweiz».
In China stocken die Geschäfte
Die rumänische Akris-Tochter Artifex produziert für Akris, für die günstigere Linie Akris Punto und, wie SonntagsBlick-Recherchen jetzt zeigen, auch für Billiglabels wie H&M oder Tchibo. 2010 hatte Albert Kriemler eine Zusammenarbeit mit H&M noch ausgeschlossen. Doch wer sich im Webshop von H&M umschaut, stösst auf einen Leinenblazer für 199 Franken, und Tchibo bietet Hosen für 69 Franken an, bei dem es im Kleingedruckten heisst: «Zusammengenäht von Artifex, Rumänien».
Laut Peter Kriemler (60), CEO des Akris-Imperiums und Bruder des St. Galler Modezars, ist das St. Galler Modehaus seit 2005 in Rumänien aktiv. «Akris tut sich schwer, das ganze Jahr über Auftragsschwankungen auszubalancieren. Deswegen arbeiten wir mit verschiedenen Firmen zusammen, um voll ausgelastet zu sein.» Der Tchibo-Auftrag habe mit der Corona-Pandemie zu tun.Rumänien entwickelte sich seit dem EU-Beitritt 2007 stark. Damals lag der Mindestmonatslohn bei 55, heute sind es 450 Franken. Die Zeiten, in denen Akris in Rumänien ultratiefe Löhne zahlen konnte, seien vorbei, sagt Peter Kriemler: «Unsere Näherinnen erhalten knapp 1000 Franken. Wir zahlen gute Löhne, sind ein sicherer Arbeitgeber und haben eine gute Firmenkultur.» Bis 2015 produzierte Akris auch mit italienischen Fremdfirmen. Kriemler: «Mit Outsourcing haben wir keine guten Erfahrungen gemacht. Seit 2015 liegt wieder alles in einer Hand.» Auch sonst tut sich viel: Am 2. August eröffnet der erste Akris-Shop der Schweiz in der Zürcher Storchengasse, unweit der Bahnhofstrasse.
Doch das China-Geschäft macht Probleme: «Wir mussten unsere zwei Shops in Shanghai schliessen, weil sie nicht gelaufen sind», so Kriemler. «Warum Japan und Südkorea funktionieren, China aber nicht, wissen wir nicht.»
Mongolisches Rosshaar, deutsche Produktion, Schweizer Marke
Neben der Ostschweiz, Mendrisio TI und Rumänien hat Akris noch einen kleinen Produktionsort in Deutschland. In Obertshausen bei Frankfurt am Main werden Luxushandtaschen aus mongolischem Rosshaar hergestellt. Vor Jahren hatte Akris hier den maroden Hersteller Comtesse aufgekauft, der einst sogar die Kaiserin von Japan belieferte. «Wir sind als Unternehmen zu klein, um eine zweite Marke zum Erfolg zu führen», sagt Peter Kriemler. 2019 verkauften die Kriemlers Comtesse, das bald darauf Insolvenz anmeldete.
Die Modebranche gilt als knallhartes Business, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für die Mitarbeiter ein schwieriges Thema. Nach aussen schmückt sich Akris mit starken Frauen. Doch eine ehemalige Mitarbeiterin berichtet dem SonntagsBlick, dass sie nach der Geburt ihres Kindes gehen musste: «Ich konnte nicht als Directrice in Teilzeit arbeiten.» Dazu Peter Kriemler: «Auf den spezifischen Wunsch eines Teilzeitpensums nach Geburt des Kindes konnten wir uns nicht einigen. Das Arbeitsverhältnis wurde in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst.»
Doch die Zeiten hätten sich geändert. Der Fachkräftemangel mache sich bemerkbar, so Kriemler. Egal, ob es um St. Gallen oder Rumänien geht. Doch er blicke zuversichtlich in die Zukunft.
Wie viel die Kriemlers tatsächlich mit Mode verdienen und wie viel mit ihrem St. Galler Immobilien-Imperium, bleibt ohnehin ein Geheimnis der Familie. Ihr gehören Prestigebauten wie das ehemalige Globus-Gebäude an der Multergasse, das frühere UBS-Gebäude am Multertor und das Kongresszentrum Einstein. «Bilanz» schätzt das Vermögen der Kriemlers auf 200 bis 250 Millionen Franken.
Als Familienbetrieb gibt das Unternehmen keine Zahlen bekannt. Lieber spricht Peter Kriemler begeistert über die Zürcher Ausstellung. Auf einem Video ist dort Fürstin Charlène von Monaco (45) zu sehen. Welchen Deal hat er mit seiner bekanntesten Influencerin? «Es gibt keinen Deal», sagt Peter Kriemler. «Charlène interessierte sich bereits für Akris, bevor sie den Fürsten von Monaco heiratete. Ihr gefällt, was wir machen.»