Sorglos leben im Alter
Brauchst du wirklich drei Millionen für die Pension?

In einer weltweiten Bloomberg-Umfrage rechnen viele Anlagesparerinnen und Anlagesparer damit, dass sie drei bis fünf Millionen Dollar Altersguthaben brauchen werden. Experten sagen, wie sie das Erfordernis in der Schweiz einschätzen.
Publiziert: 23.02.2023 um 17:37 Uhr
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Sorglos altern: Das hat für viele auch mit der Finanzlage zu tun.
Foto: imago images / Eckhard Stengel
Marc Forster («cash.ch»)

Wie viel Geld braucht es, um sich im Ruhestand wohlzufühlen? Zwischen drei und fünf Millionen Dollar. Diese Antwort lässt aufhorchen. Drei bis fünf Millionen Dollar ist zumindest der Wert, den 70 Prozent von 553 professionellen und privaten Anlegerinnen und Anleger weltweit nannten, als sie Mitte Februar an einer MLIV-Pulse-Umfrage von Bloomberg teilnahmen.

Die Einschätzungen zum Finanzbedarf variieren zwischen den Weltregionen. In Europa etwa ist der Anteil jener, die mit nur einer Million Dollar notwendigem Vermögen rechnen, etwas höher als in den USA. Erklären lässt sich dies zum Teil mit einer weniger starken obligatorischen Sozialversicherungsabdeckung oder höheren individuellen Gesundheitskosten in den USA.

Doch auch in Europa erwartet die grösste Gruppe, dass umgerechnet mindestens drei Millionen Dollar notwendig sind, um im Alter komfortabel leben zu können. Braucht man auch in der Schweiz so viel Geld für das Alter? Drei Millionen Dollar, dies sind nach aktuellem Kurs etwa 2,77 Millionen Franken.

Schweizer Modell: Vermögen in der zweiten und dritten Säule

Auf den ersten Blick erscheint die Zahl hoch. Die Altersfinanzierung speist sich in der Schweiz aus den drei Säulen. Zwei davon beinhalten Vermögen. Bei der ersten Säule AHV verfügen Versicherte lediglich auf einen Anspruch auf Auszahlung.

Der grösste Vermögensteil ist bei vielen Arbeitstätigen in der Schweiz die Pensionskasse, also die zweite Säule. Die Pensionskassen verwalten 1159 Milliarden Franken Vermögen, aufgeteilt auf 4,48 Millionen Versicherte. Im Schnitt entfallen so auf jeden Versicherten und jede Versicherte etwa 260'000 Franken. Bei der Pensionierung verfügen aber viele über einen deutlich höheren Sparbeitrag.

Mit Säule-3a-Sparen wiederum lassen sich durch Einzahlungen und die Verzinsung im Berufsleben nach heutigem Stand rund 340'000 Franken ansparen. Mit Säule-3a-Wertschriftensparen kann dieser Betrag, bei der Annahme grundsätzlich steigender Kurse, noch deutlich übertroffen werden.

Zum Vermögen beim Altersantritt gehören auch alle anderen Guthaben und Besitztümer. Zählt dazu eine Erbschaft, eine Immobilie, oder hat jemand dank Wertschriften sein Vermögen deutlich erhöht, kann es gut sein, dass jemand in der Schweiz mit dem jetzigen Äquivalent von drei Millionen Dollar in den Ruhestand geht.

«1,5 Millionen Vermögen wäre notwendig»

Die Kosten im Alter dürfen nicht unterschätzt werden. Zudem befasst sich immer noch ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung recht wenig mit diesem Thema. Doch drei Millionen Franken Altersguthaben wären im Moment mehr als genug. Pensionskassenspezialist André Tapernoux vom Beratungsunternehmen Keller Experten rechnet vor: «Bei einem Bedarf von 100'000 Franken im Jahr, bei 30'000 Franken AHV-Beitrag, müssen 70'000 Franken jährlich zur Verfügung stehen.» Ziehe man den aktuell realistischen Umwandlungssatz von fünf Prozent heran, wären also etwa 1,5 Millionen Franken Vermögen – Pensionskasse und weitere Vermögenswerte – notwendig.

Dass ein grosser Teil der Bevölkerung drei Millionen Franken Altersguthaben nicht erreichen wird, ist aus Expertensicht auch kein Problem – jedenfalls noch nicht. «Diejenigen, die heute in die Pension gehen, brauchen sicherlich nicht zwingend drei Millionen Franken für den Erhalt ihres Lebensstils», sagt Finanzplaner Gabor Gaspar vom Beratungsunternehmen ATG Allfinanz und Treuhand Group. «Es lässt sich mit deutlich weniger als drei Millionen Franken leben.»

Ob sich dies für künftige Generationen sagen lasse, sei aber fraglich. Demografischer Wandel, tiefere Zinsen und sinkende Umwandlungssätze veränderten die Lage: «Wenn vor allem der Druck auf die zweite Säule zunimmt, dann werden höhere Sparbeträge als heute notwendig», so Gaspar. In diesem Falle könnte auch die Säule 3a nicht mehr ausreichen, um den Lebensstandard zu erhalten. «Somit wird es höhere Altersvermögen für den Ruhestand brauchen, die sich aus zusätzlichen Sparanstrengungen werden bilden müssen.»

Börsenkurse verunsichern Vorsorgesparer

Dass vor allem in den USA heute schon mit einem höheren Erfordernis gerechnet wird, hat landesspezifische Gründe. Eine in den USA gängige Alters- und Finanzplanungsform ist der 401k-Plan. Es handelt sich um ein freiwilliges Sparen, wo Sparguthaben mit Zuschüssen des Arbeitgebers angelegt werden. Die Gelder sind nur unter bestimmten Voraussetzungen vorzeitig beziehbar und die Sparbeiträge bringen einen steuerlichen Vorteil mit sich. Zu einem gewissen Grad lässt sich dies mit dem Wertschriftensparen in der Säule 3a in der Schweiz vergleichen – mit dem grossen Unterschied, dass das Schweizer 3a-Sparen rein privat ist.

In den USA ist Aktiensparen für das Alter in der breiten Bevölkerung schon länger verbreitet als in der Schweiz. Deswegen spiegelt die Einschätzung des künftigen Bedarfs stark aktuelle Börsen- und Konjunkturerwartungen. Und die Drei-Millionen-Marke dürfte auch deswegen so verbreitet sein, weil professionelle Anleger an der Umfrage teilnahmen und sich diese wohl auf höhere Einkommensklassen mit einem teureren Lebensstandard stützte.

(Dieser Text wurde am 21.02.2023 zuerst auf cash.ch publiziert)

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