Daniel Vasella (69) versuchte 2013, der Zahlung eines «äusserst hohen» Steuerbetrags zu entgehen: indem er behauptete, seinen Wohnsitz von Risch ZG ans Mittelmeer verlegt zu haben – ins steuerfreie Monaco. Doch die Zuger Steuerverwaltung machte dem Ex-Novartis-Chef einen Strich durch die Rechnung, wie die «SonntagsZeitung» vor kurzem publik machte.
Der Fall ist zwar spektakulär, aber eher untypisch: Normalerweise sind es die Kantone Zug, Schwyz und Nidwalden, die Grossverdiener und Vermögende mit ultratiefen Steuersätzen anlocken – und damit anderen Ländern und Kantonen Steuersubstrat abluchsen. Es vergeht kaum eine Woche ohne den Umzug von Spitzenmanagern oder Unternehmern in einen Tiefsteuerkanton.
Kantonale Steuerunterschiede massiv
Überraschend ist das nicht, denn für Grossverdiener fallen die kantonalen Steuerunterschiede massiv ins Gewicht. Das zeigt sich etwa am Beispiel von Nationalbank-Präsident Thomas Jordan (60), der 2018 mit seiner Frau von Küsnacht ZH in die Stadt Zug zog.
2021 bezog Jordan einen Bruttolohn von 914'700 Franken. Hätte er diese Summe an seinem alten Wohnort versteuern müssen, wären rund 255'000 Franken Einkommenssteuern fällig geworden. Am neuen Wohnort hingegen musste er laut Online-Steuerrechner der Eidgenössischen Steuerverwaltung lediglich 175'000 Franken an den Fiskus abliefern. Dank seines Umzuges spart Jordan also rund 80'000 Franken Steuern – Jahr für Jahr.
Ersparnisse im sechsstelligen Bereich
Im Vergleich zu Topmanagern aus der Privatwirtschaft ist das eine bescheidene Summe. Für Thomas Hasler (58), CEO des Bauchemiekonzerns Sika, fiel der Umzug in die Zentralschweiz deutlich stärker ins Gewicht: 2021 verdiente Hasler 2,4 Millionen Franken brutto. Hätte er dieses Gehalt an seinem alten Wohnort in Birmensdorf ZH versteuern müssen, wären gemäss Steuerrechner 820'000 Franken an Einkommenssteuern fällig geworden. Da Hasler 2018 nach Risch ZG gezogen ist, werden nur 490'000 Franken fällig. Jährliche Ersparnis: 330'000 Franken.
Philipp Rickenbacher (51), CEO von Julius Bär, spart dank eines Umzugs schätzungsweise sogar 885'000 Franken Einkommenssteuern. Der Topbanker hatte 2021 ein Bruttogehalt von sechs Millionen. An seinem alten Wohnort in Bülach ZH wären darauf rund 2,1 Millionen Franken Einkommenssteuern fällig geworden, an seinem neuen Steuerdomizil in Wollerau SZ sind es bloss 1,2 Millionen.
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Nochmals in einer anderen Liga spielt UBS-CEO Ralph Hamers (56). Der Niederländer stiess 2020 zur Grossbank, liess sich aber nicht an seinem Arbeitsort Zürich nieder, sondern ebenfalls in der Stadt Zug. Eine lukrative Entscheidung: Müsste er die elf Millionen Franken, die er in seinem ersten vollen Jahr bei der UBS erhalten hatte, in der Stadt Zürich versteuern, würden dafür fast vier Millionen Franken fällig. In Zug dagegen verlangt der Fiskus nur 2,2 Millionen Franken. Mit Wohnort Zug bleiben Hamers 1'740'000 Franken mehr im Portemonnaie.
Zahlen mit Vorsicht zu geniessen
Die Errechnung der Steuerlast ist keine exakte Wissenschaft. Die jeweilige Ersparnis ist im Einzelfall mit Vorsicht zu geniessen, da es viele Unbekannte gibt, welche die Steuerlast stark beeinflussen können.
Hamers zum Beispiel werden grosse Teile der genannten elf Millionen Franken über mehrere Jahre ausbezahlt. Zudem kaufen sich Grossverdiener gerne in die Pensionskasse ein, um die Steuerlast zu reduzieren. Kaum abschätzen lässt sich auch das Vermögen der genannten Personen, das die Steuerlast ebenfalls erheblich beeinflussen kann.
Dennoch gibt der Steuerrechner eine Vorstellung davon, wie stark Grossverdiener vom Schweizer Steuerwettbewerb profitieren. Dabei liesse sich die Liste mit bekannten Managern und Unternehmern, die sich die Vorteile eines Tiefsteuerkantons nicht entgehen lassen, beliebig verlängern.
Wirtschaftselite rottet sich zusammen
Im Kanton Zug sind neben den Genannten auch die CEOs von Emmi, Glencore, Lindt & Sprüngli, Migros Bank, Mobilezone und Swiss Life ansässig, die Verwaltungsratspräsidenten von Helvetia, Raiffeisen und Swiss Re sowie Miteigentümer von C&A, Metall Zug und Partners Group. Hinzu kommen Swarovski-Erbin Marina Giori Lhota (80) oder der russische Oligarch Viktor Vekselberg (65).
Im Kanton Schwyz haben die CEOs von Dufry, Holcim, Kühne + Nagel und OC Oerlikon ein Zuhause gefunden, die Präsidenten von Adecco, Dätwyler, Ems-Chemie, Georg Fischer, Sika, Sonova, Swiss Prime Site und Vaudoise sowie Miteigentümer von Glencore und Manor. Hinzu kommen Unternehmer wie Jean-Claude Biver (73), Markus Blocher (51), Martin Ebner (77), Stephan Schmidheiny (75) sowie Ex-Banker wie Oswald Grübel (79) und Urs Rohner (63).
In Nidwalden wohnen unter anderen Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder (63) sowie die Unternehmer Nayla Hayek (71), Michael Pieper (76) und Alfred N. Schindler (73).
Innerschweizer Kantone beliebt
Diese Auflistung ist nicht annähernd komplett. Doch auch so wird klar, wie stark die Vermögenskonzentration in der Schweiz inzwischen ist. Die Kantone Zug, Schwyz und Nidwalden, die zusammen nicht einmal vier Prozent der Schweizer Gesamtbevölkerung ausmachen, beheimaten grosse Teile der Wirtschaftselite – und sind dem Rest des Landes auch beim durchschnittlichen Reinvermögen pro Steuerzahler weit entrückt.
Laut einer kürzlich publizierten Analyse des Bundesrats besitzen Steuerpflichtige in Zug im Schnitt 1,1 Millionen Franken, in Schwyz 1,3 Millionen und in Nidwalden fast 1,5 Millionen. In den Kantonen Jura, Freiburg, Solothurn und Neuenburg lag dieser Wert bei weniger als 200'000 Franken. Im Zeitraum von 2005 bis 2018 stieg der Vermögensanteil des reichsten ein Prozents der Eidgenossen gemäss der gleichen Untersuchung von 38 auf 44 Prozent.
SNB-Präsident Thomas Jordan, Sika-CEO Thomas Hasler und Julius-Bär-Chef Philipp Rickenbacher lassen auf Anfrage ausrichten, dass ihr Umzug in die Zentralschweiz nicht aus steuerlichen Gründen erfolgt sei. Jordan macht neue Lebensumstände geltend, Hasler die Tatsache, dass sich der Hauptsitz von Sika ebenfalls im Kanton Zug befinde. Und Rickenbacher betont, dass er im Kanton Schwyz aufgewachsen und familiär verwurzelt sei.
UBS-CEO Ralph Hamers wollte sich zu diesem Thema nicht äussern.