Ihre Mission ist genauso schrecklich wie wichtig: Noam Peri (40) und Nili Margalit kämpfen dagegen an, dass das Schicksal der restlichen Hamas-Geiseln vergessen geht. Noch immer sind 136 Menschen in den Händen der Terrororganisation. Gefangengehalten in den Tunneln unterhalb des Gazastreifens. Unter ihnen ein Baby, das am Donnerstag seinen 1. Geburtstag in Gefangenschaft verbrachte.
Nili wurde am 7. Oktober aus ihrem Zuhause von Hamas-Kämpfern im Kibbuz Nir Oz entführt. Terroristen haben 40 Menschen aus ihrem 400-Seelen-Ort getötet – darunter ihren Vater – und 71 weitere verschleppt. Dass ihr Vater tot ist, erfährt die ausgebildete Kinderkrankenschwester erst nach ihrer Freilassung – ein weiterer Schicksalsschlag.
Am 30. November kam Nili nach 55 Tagen in Geiselhaft frei. Der Vater von Noam ist dagegen immer noch in den stickigen, dunklen Tunneln in den Händen der Hamas.
Das Schicksal der Hamas-Geiseln
Kaum Luft zum Atmen
Blick trifft Noam und Nili am Rande des WEF im Pavillon von Palantir an der Davoser Promenade. Es ist Nili anzumerken, wie schwer es ihr fällt, über die Zeit der Gefangenschaft zu sprechen. «Ich fühlte mich meiner Menschenwürde beraubt.» In den Tunneln 20 bis 30 Metern unter der Erde war es fast unerträglich: «Es war dunkel, feucht und stickig, es gab kaum genug Luft zum Atmen und selten frisches Wasser. Viele ältere Menschen litten ständig unter Atemnot.»
Zu essen gab es eine Tasse Reis und ein halbes Pitabrot pro Tag. Die Toilette für Nili und die anderen 20 Geiseln wurde nur einmal am Tag gespült. «Als ausgebildete Kinderkrankenschwester habe ich mich um eine Gruppe älterer Geiseln gekümmert, darunter den Vater von Noam», erzählt Nili. «Ich habe sie immer wieder zu etwas Bewegung animiert. Viel mehr, als mit ihnen über ihre Beschwerden zu reden, konnte ich nicht tun, es gab fast keine Medikamente oder andere Behandlungsmöglichkeiten.»
Um ihre Opfer zusätzlich zu peinigen, haben die Terroristen ihnen Brillen und Hörgeräte abgenommen. «Wäre jemand gestürzt, hätte ich nichts tun können.» Über ihre Freilassung mag Nili sich nicht so richtig freuen, zu sehr belastet sie das Schicksal der anderen Geiseln: «Es war so hart, sie zurücklassen zu müssen.»
Appell an die CEOs
Die Geiseln sind am WEF kein Thema. Lieber wird über die grossen Zusammenhänge diskutiert, darüber, ob sich der Kampf Israels gegen die Hamas zu einem Weltenbrand ausweiten könnte. Immerhin: In Davos konnten die beiden Frauen an einer Veranstaltung mit über 150 CEOs grosser Unternehmen sprechen: «Wir brauchen jede Unterstützung. Ich hoffe, sie fahren nach Hause und machen Druck auf ihre Regierung, mehr für die Rettung der Geiseln zu tun», sagt Noam.
«Am 7. Oktober ist für mich und viele Menschen in Israel das Leben stehengeblieben», sagt Noam. «Es wird erst dann weiter gehen, wenn auch die letzte Geisel wieder frei ist.» Noams Vater ist Künstler, hat sich sehr für die Verständigung der verschiedenen Ethnien in Israel eingesetzt. «Er brachte Beduinen, Araber und Israelis zusammen, hat sich sehr für Menschenrechte und Frieden engagiert», erzählt Noam. Nili ergänzt: «Er hat als Freiwilliger Kinder aus dem Gazastreifen in israelische Spitäler gefahren. Ich habe mit ihm viel über diese Kinder gesprochen.»
Zum Abschluss des Gesprächs betonen die beiden Frauen nochmals, wie wichtig es ist, dass sich die Welt weiter um die Befreiung der Geiseln bemüht: «Deswegen sind wir hier in den Schnee nach Davos gefahren, um die Welt aufzurütteln, damit dieser Albtraum für die Geiseln und ihre Angehörigen und Freunde endlich vorüber ist.»