Sicherheitsverantwortlicher erhebt schwere Vorwürfe gegen das WEF
«Es hätte zur Katastrophe kommen können»

Nach dem Zusammenbruch der Menschenrechtlerin Masih Alinejad am WEF packt ein Insider aus: Es waren keine Sicherheitsverantwortlichen in der Kongresshalle.
Publiziert: 21.01.2023 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2023 um 12:45 Uhr
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Am Donnerstag trat die iranisch-amerikanische Menschenrechtlerin Masih Alinejad mit einer flammenden Rede am WEF auf.
Foto: keystone-sda.ch
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Danny SchlumpfRedaktor SonntagsBlick

Plötzlich bricht die prominente Rednerin zusammen, kippt vom Stuhl. Das Publikum am WEF sieht hilflos zu, bis ein Mann aus den Zuschauerrängen auf die Bühne springt – ein zufällig anwesender Arzt, der sich um Masih Alinejad (46) kümmert. Dann fällt der Vorhang. Hinter den Kulissen herrscht Hektik, bis die iranisch-amerikanische Menschenrechtlerin endlich abtransportiert wird.

Der Vorfall am Donnerstagnachmittag hat für Aufsehen gesorgt und wirft Fragen rund um die Sicherheit auf.

Kein Sicherheitsverantwortlicher in der Kongresshalle

Wo waren die Offiziellen? Was wäre passiert, wenn der Arzt an diesem Nachmittag eine andere Veranstaltung besucht hätte? Wenn gar ein grösseres Ereignis eingetreten und eine rasche Evakuierung der Kongresshalle nötig geworden wäre? Wenn es einen Anschlag gegeben hätte?

Jetzt packt ein Sicherheitsverantwortlicher des WEF aus. «Als Masih Alinejad zusammenbrach, war niemand von uns in der Kongresshalle», sagt der Supervisor zu Blick. Er gehört zu einem 18-köpfigen Team, das für die interne Überwachung am WEF verantwortlich ist. Die Profis im schwarzen Anzug stehen an den Eingängen des Forums und in den Veranstaltungsräumen. Ihre wichtigste Aufgabe: Sie alarmieren die Zentrale, wenn es brenzlig wird.

«So hätte es auch am Donnerstag sein müssen», sagt der Supervisor, der anonym bleiben will. «Aber niemand von uns war dort. Es gab keine Meldung an die Zentrale, die sofort eine Ambulanz aufgeboten hätte. Und der Sicherheitschef war nicht erreichbar.»

Sicherheitspersonal um ein Drittel reduziert

Kein internes Sicherheitspersonal in der Kongresshalle – war das ein Versehen? Der Supervisor winkt ab. «Wir konnten längst nicht alle Anlässe abdecken.» In der Pandemie sei der Bestand seines Teams um ein Drittel reduziert worden. «Er wurde nicht wieder aufgestockt. Am diesjährigen WEF hatten wir also viel weniger Personal als vor der Pandemie – aber deutlich mehr anwesende Regierungschefs.»

Hinzu komme ein anderes Problem: «Unser Team bestand aus langjährigen Mitarbeitern. Aber dieses Jahr erhielten viele von ihnen kein Aufgebot mehr. Stattdessen wurden junge Leute ohne Erfahrung eingestellt.»

Sie hätten am WEF jeden Tag Schichten geschoben, die bis zu 15 Stunden dauerten, sagt der Supervisor. «Die Belastung ist enorm. Die Müdigkeit nimmt zu, die Konzentration lässt nach.» Die Stimmung in der Mannschaft habe schon vor dem Beginn des WEF gelitten. «Am letzten Sonntag haben die beiden Verantwortlichen für die Sicherheitszentrale Knall auf Fall gekündigt.»

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«Das war ein Schuss vor den Bug»

Für den Supervisor ist klar: «Die Sicherheit am WEF war nicht gewährleistet. Es hätte zur Katastrophe kommen können.» Das Forum müsse sein Sicherheitspersonal dringend aufstocken und die Abläufe in den Griff kriegen. «Der Vorfall am Donnerstag war ein Schuss vor den Bug. Das nächste Mal haben wir vielleicht weniger Glück.»

Das WEF beschwichtigt. «Das World Economic Forum hat die Situation gründlich analysiert», sagt ein Sprecher. «Mehrere Augenzeugen, inklusive der persönliche Betreuer von Frau Alinejad, bestätigen, dass innerhalb von Sekunden sowohl der Sicherheitschef als auch ärztliche Hilfe vor Ort waren. Die Reaktion unseres Sicherheitsteams war exemplarisch.»

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