«Frauen müssen Mut haben, in grössere Schuhe zu schlüpfen»
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Top-Managerinnen am WEF:«Frauen müssen Mut haben, in grössere Schuhe zu schlüpfen»

Das WEF wird weiblicher
Top-Managerinnen in Davos im Rampenlicht

Der Frauenanteil am WEF war noch nie so hoch wie dieses Jahr. Dennoch sind die Wirtschaftsführerinnen in Davos weiterhin deutlich in der Minderheit. Und sie sind es leid, ständig nur auf die Sache der Frauen angesprochen zu werden.
Publiziert: 17.01.2023 um 20:55 Uhr
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Meta-Managerin Angie Gifford wurde auch schon für die Sekretärin statt für die Chefin gehalten.
Foto: Zamir Loshi
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Sarah FrattaroliStv. Wirtschaftschefin

Angie Gifford (57) gehört zu den einflussreichsten Managerinnen in Europa. Die Deutsche ist Vizepräsidentin für Europa, den Nahen Osten und Afrika beim Facebook-Mutterkonzern Meta. Doch als sie vor einigen Jahren das Meeting eines europaweiten Projekts mit 28 beteiligten Ländern leiten sollte, stand ihr Namensschild ganz hinten in der Ecke. «Die Organisatoren gingen davon aus, dass ich die Sekretärin bin. Dabei war ich Projektleiterin!», erzählt Gifford am Rande eines von Ringier organisierten EqualVoice-Events am WEF in Davos GR.

Managerinnen wie Gifford sind am WEF nach wie vor in der Minderheit – und haben unzählige solche und ähnliche Anekdoten zu erzählen. 47 Prozent der Sitzungen am diesjährigen WEF werden von Frauen moderiert. Betrachtet man die gesamte Teilnehmerliste, liegt der Frauenanteil bei 27 Prozent. Das ist Rekord – «aber wir haben noch eine weite Reise vor uns», gibt WEF-Sprecher Samuel Werthmüller zu.

Pandemie hat Gleichstellung zurückgeworfen

«Als ich vor einigen Jahren zum ersten Mal am WEF war, gab es noch viele rein männliche Panels. Heute ist das die Ausnahme», lobt Julie Teigland (53). Sie leitet für das Beratungsunternehmen EY das Geschäft in Europa, dem Nahen Osten, in Indien und Afrika, hat 150'000 Mitarbeitende unter sich.

Sie sagt aber auch: «Ich kann es nicht fassen, wie unglaublich zäh der Fortschritt für die Gleichstellung vonstattengeht.» Gemäss dem alljährlichen «Global Gender Gap Report» des WEF dauert es beim heutigen Tempo noch 132 Jahre, bis die Geschlechtergleichheit Realität ist. 2019 rechnete das WEF noch mit 99,5 Jahren. Die Corona-Pandemie hat den Kampf für die Gleichstellung um Jahrzehnte zurückgeworfen.

Fachkräftemangel bringt Firmen zum Umdenken

Frauen arbeiten häufiger im Verkauf, in der Hotellerie und Gastronomie oder in der Kinderbetreuung – und haben in der Pandemie überproportional häufig ihre Jobs verloren. Viele sind seither nicht in den Arbeitsmarkt zurückgekehrt. «Allein in den USA hat uns die Pandemie 1,7 Millionen weibliche Arbeitskräfte geraubt», rechnet Becky Frankiewicz (50) vor. Die Amerikanerin sitzt in der Geschäftsleitung der Manpower Group, eines der grössten Stellenvermittler weltweit.

Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein Problem. «Frauen besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist nicht nur das moralisch Richtige – sondern auch das wirtschaftlich Richtige!», betont Frankiewicz. Unternehmen müssten flexiblere Arbeitsmodelle anbieten, damit Beruf und Familie besser vereinbar werden, empfiehlt die Arbeitsmarkt-Spezialistin. Davon profitieren nicht nur Frauen, sondern auch Männer.

«In grössere Schuhe schlüpfen und einfach damit laufen»

Von vielen hochkarätigen Managerinnen und Politikerinnen am WEF ist zu hören, sie seien es leid, bei Interviews ständig nur über Gleichstellung zu sprechen. Sie sind in Davos, weil sie erfolgreich Grosskonzerne mit Multimillionen-Budgets und Hunderttausenden Angestellten managen oder die Regierungen ganzer Länder führen. Trotzdem werden sie häufig nur dann interviewt, wenn es um die Sache der Frauen geht. Nicht um die erfolgreichsten Industrie-, Tech- oder Beratungskonzerne.

Nachhaltig ändern wird sich das wohl erst, wenn 50 Prozent der WEF-Teilnehmenden weiblich sind, nicht wie heute 27 Prozent. Und dafür seien die Frauen zumindest teilweise auch selber verantwortlich, findet Meta-Managerin Angie Gifford: «Frauen müssen auch den Mut haben, in grössere Schuhe zu schlüpfen und einfach damit zu laufen.»

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