Erdbeeren, Bio-Gemüse, Gruyère, Landrauchschinken, Lindt-Schoggi und Zweifel-Chips – meine Frau und ich haben das Privileg, genug zu verdienen, um ohne Taschenrechner durch die Migros schlendern zu können. Im Einkaufswagen landet alles, was unser Gaumen begehrt.
Wobei schlendern ein grosses Wort ist, erst recht mit drei kleinen Kids. Was unseren Wocheneinkauf in letzter Zeit betrübt, ist aber nicht so sehr der lärmende Nachwuchs, sondern etwas anderes: Mittlerweile muss ich leer schlucken, wenn der Kassierer den Betrag nennt, den ich zu berappen habe. War das früher nicht günstiger?
Auch das Wetter hat Einfluss auf die Preise
Um herauszufinden, ob sich das Inflationsgespenst tatsächlich so stark bemerkbar macht, wie ich das Gefühl habe, oder ob es vor allem in meinem Kopf spukt, habe ich auf meiner Migros-App alte Quittungen aus dem September 2021 herausgesucht – und diese Woche die gleichen Produkte erneut gekauft.
Für einen normalen Einkauf, der damals 260.10 Franken kostete, bezahlen wir heute 284.95 Franken – also zehn Prozent oder rund 25 Franken mehr. Das klingt bescheiden. Auf ein Jahr gerechnet sind es jedoch fast 1300 Franken. Dafür gäbe es eine Woche Familienferien im Reka-Dorf.
Je nach Artikel sind die Preisveränderungen sehr unterschiedlich. Einiges ist sogar günstiger geworden, zum Beispiel Obst, Beeren und Gemüse. Die kosten heute teilweise weniger als 2021. Für ein Kilogramm Broccoli wurden vor zwei Jahren 6.90 Franken fällig, heute nur 5.50 Franken.
Migros erklärt dies mit dem starken Einfluss des Wetters auf das Angebot. «Das kann je nach Saison zu unterschiedlichen Preisniveaus führen», sagt ein Sprecher. Aufgrund des eiszeitlichen Sommers 2021 habe etwa das Freilandgemüse, wozu auch Broccoli gehöre, mit enormen Preisschwankungen zu kämpfen gehabt.
Bei allen anderen Produkten hat sich die Preisspirale aber in die entgegengesetzte Richtung gedreht.
Massive Preiserhöhungen durch Lieferanten?
23 Prozent teurer geworden ist etwa unser wöchentliches St. Galler Brot. 2021 kostete es 2.60, heute 3.20 Franken. Migros erklärt dies mit teureren Rohstoffen, insbesondere Weizen, sowie höheren Energie- und Personalkosten.
Für Importprodukte wie Galbani- Mozzarella aus Italien (plus 15 Prozent) und Xenia-Fetakäse aus Griechenland (plus 30 Prozent) bezahlen wir ebenfalls deutlich mehr, bei hausgemachtem Hüttenkäse (plus 29 Prozent), Butter (plus 16 Prozent) und Margarine (plus 28 Prozent) ist die Entwicklung nicht besser.
Ersteres erklärt die Migros mit «massiven Preiserhöhungen» durch die Lieferanten». Bei den inländischen Milchprodukten wiederum machten vor allem der steigende Milchpreis sowie höhere Energie- und Verpackungskosten zu schaffen.
Die Margarine-Preise wiederum hätten sich vor allem wegen stark verteuerter Rohstoffpreise bei Sonnenblumen-, Raps- und Leinöl gesteigert.
Bei den Royal-Kaffeekapseln, die sich gegenüber 2021 um 20 Prozent verteuert haben, verweist der Unternehmenssprecher ebenfalls auf «stark gestiegene» Rohstoff- und Produktionskosten.
Artikel wie M-Budget werden beliebter
Die Erklärungen klingen nachvollziehbar. Dem Portemonnaie ist das aber egal. Um Gegensteuer zu geben, schafft es deshalb nicht mehr nur Bio-Gemüse in unseren Einkaufswagen. Statt Café Royal haben wir den M-Classic-Kaffeekapseln eine Chance gegeben und die Hero-Original-Rösti wurde von der M-Budget-Variante verdrängt.
Mit diesen Ausweichmanövern sind wir nicht allein. Wie Migros mitteilt, verzeichnet das Unternehmen bereits seit Monaten eine höhere Nachfrage nach Aktionen und günstigeren Artikeln wie M-Budget.
Den Kids schmecken auch die Billigvarianten. Sie essen gar mehr denn je. Im Vergleich zu diesen Mehrkosten ist die Inflation für uns fast vernachlässigbar.