Darum steigen in der Schweiz die Preise
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Im Ausland ist es schlimmer:Darum steigen in der Schweiz die Preise

Haushalte mit tiefem Einkommen trifft die Inflation besonders hart
Preisschock!

Viele Preise in der Schweiz sind in den letzten Monaten merklich gestiegen. Haushalte mit tiefen Einkommen trifft diese Entwicklung hart.
Publiziert: 26.06.2022 um 00:52 Uhr
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Aktualisiert: 26.06.2022 um 11:35 Uhr
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Die Schweizer Konsumenten erleben derzeit den höchsten Preisanstieg seit 14 Jahren. Ob Teigwaren, Benzin oder Butter – viele Güter des täglichen Bedarfs haben sich in den letzten Monaten merklich verteuert.
Foto: STEFAN BOHRER
Sven Zaugg

Ökonomen halten sie für das Schmiermittel der Wirtschaft: die Inflation. In bescheidenem Umfang kann die Teuerung tatsächlich gesund sein. Konsumenten, die mit einem steten Anstieg der Preise rechnen müssen, sind eher bestrebt, ihr Geld unter die Leute zu bringen, da sie künftig mit höheren Ausgaben rechnen müssen. Dieses Verhalten wirkt stimulierend auf die Wirtschaft – sie floriert.

Aber: Ist die Inflation zu hoch, können sich Konsumenten wegen der gestiegenen Preise für ihr Geld weniger leisten. Das ist auch für Produzenten ein Problem. Sinkt die Nachfrage aufgrund steigender Preise, müssen Firmen ihrerseits die Preise erhöhen, um die Kosten zu decken. Auch investieren sie weniger – und bremsen so das Wirtschaftswachstum.

So werden die Preise ermittelt

Der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) wurde erstmals 1921 publiziert. Seither wurde der Warenkorb mehrmals revidiert, um die Konsumausgaben der privaten Haushalte in der Schweiz möglichst realitätsnah zu erfassen.

Im Jahr 2020 ist die letzte Revision erfolgt, neu werden seit diesem Zeitpunkt Indizes für Glücksspiele (Lotterien, Casinos), Museums- und Zooeintritte, Fahrzeugvermietungen, Anwalts- und Notariatsleistungen und E-Bikes publiziert. Die Preise von regional gehandelten Produkten werden in elf Erhebungsregionen erfasst, die die ganze Schweiz abdecken.

Die Erhebungen erfolgen primär in grösseren und mittelgrossen Städten und ihren Agglomerationen, wo ein Grossteil der Konsumgüter verfügbar ist. Preise von Gütern mit einer nationalen Preisbildung und einem nationalen Markt werden in der Regel zentral durch das Bundesamt für Statistik (BFS) erhoben, so zum Beispiel Tarife im Bereich Gesundheit, Telekom-Angebote oder Unterhaltungselektronik. Die Positionen des LIK werden entsprechend ihrem Anteil an den Konsumausgaben der privaten Haushalte in der Schweiz gewichtet.

Der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) wurde erstmals 1921 publiziert. Seither wurde der Warenkorb mehrmals revidiert, um die Konsumausgaben der privaten Haushalte in der Schweiz möglichst realitätsnah zu erfassen.

Im Jahr 2020 ist die letzte Revision erfolgt, neu werden seit diesem Zeitpunkt Indizes für Glücksspiele (Lotterien, Casinos), Museums- und Zooeintritte, Fahrzeugvermietungen, Anwalts- und Notariatsleistungen und E-Bikes publiziert. Die Preise von regional gehandelten Produkten werden in elf Erhebungsregionen erfasst, die die ganze Schweiz abdecken.

Die Erhebungen erfolgen primär in grösseren und mittelgrossen Städten und ihren Agglomerationen, wo ein Grossteil der Konsumgüter verfügbar ist. Preise von Gütern mit einer nationalen Preisbildung und einem nationalen Markt werden in der Regel zentral durch das Bundesamt für Statistik (BFS) erhoben, so zum Beispiel Tarife im Bereich Gesundheit, Telekom-Angebote oder Unterhaltungselektronik. Die Positionen des LIK werden entsprechend ihrem Anteil an den Konsumausgaben der privaten Haushalte in der Schweiz gewichtet.

Als kleine, offene Volkswirtschaft bleibt auch die Schweiz von internationalen Preisschocks nicht verschont. Im Vergleich zum Ausland fällt die Teuerung mit derzeit 2,9 Prozent hierzulande zwar noch moderat aus, liegt aber schon über jenem Zielband von null bis zwei Prozent, das die Schweizerische Nationalbank (SNB) als Preisstabilität beschreibt.

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Und so erleben die Schweizer Konsumenten derzeit den höchsten Preisanstieg seit 14 Jahren. Ob Teigwaren, Benzin oder Butter – viele Güter des täglichen Bedarfs haben sich in den letzten Monaten merklich verteuert. In unserer Auswertung präsentiert SonntagsBlick eine Auswahl von Produkten und Dienstleistungen, die heute mindestens fünf Prozent mehr kosten als vor einem Jahr. (Es wären noch viel mehr: Speiseeis etwa mit einem Plus von 5,5 Prozent oder Margarine mit 6,7 Prozent.)

Nebenkosten explodieren

Wichtig ist: Der Preisdruck verschärft sich zunehmend. Gestiegen sind unter anderem Wohnkosten, vor allem Nebenkosten schiessen durch die Decke. Das Heizöl etwa wurde im Vorjahresvergleich mehr als 80 Prozent teurer.

Ohnehin sind die stärksten Treiber für die hiesige Inflation die Energiepreise. Benzin und Diesel haben sich innert Jahresfrist um 25 respektive 30 Prozent verteuert. Yngve Abrahamsen von der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich spricht von einer importierten Inflation, die nun «voll» durchschlage: «Die Abhängigkeit von ausländischem Öl und Gas treibt die Preise vor sich her.»

Seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine habe sich die Situation noch verschärft, sagt Konjunkturforscher Abrahamsen: «Durch den Krieg kam es zu weiteren Produktionsausfällen und Störungen der Lieferketten.» Die Ukraine ist einer der grössten Exporteure von Getreide und liefert zahlreiche Rohstoffe in die ganze Welt. Aufgrund der Verknappung durch Produktions- und Lieferausfälle in der Ukraine stiegen bei diesen Produkten die Preise deutlich.

Und noch immer leidet die Weltwirtschaft an Long Covid: Insbesondere im Dienstleistungssektor (einschliesslich Tourismus) wurde massiv weniger umgesetzt. Als Folge sammelte sich bei vielen Haushalten mehr Geld auf dem Konto an als üblich. «Der Nachholeffekt, also die rasant gestiegene Nachfrage, trifft nun auf gekappte Lieferketten und ein begrenztes Angebot», sagt Abrahamsen. Und viele Anbieter nutzen die Gelegenheit, ihre Preise kräftig zu erhöhen. Dies zeigt sich derzeit besonders spürbar am Beispiel der teuren Flugreisen.

Die Ärmsten trifft es am härtesten

Je nach Haushalt fällt die Teuerung unterschiedlich ins Gewicht. «Konsumenten mit kleineren Einkommen verspüren zurzeit mehr Inflation», sagt Ökonomie-Professorin und Geldspezialistin Sarah Lein von der Universität Basel. Das liegt an der unterschiedlichen finanziellen Belastung. «Haushalte mit tieferen Einkommen geben einen höheren Anteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel, Wohnen und Energie aus als Haushalte mit höheren Einkommen», sagt Lein. Also genau für jene Güter, die der Teuerung besonders stark oder kontinuierlich unterliegen – und deren Konsum zum grössten Teil unverzichtbar ist.

Daran wird sich in absehbarer Zeit kaum etwas ändern: Aufgrund des Klimawandels, der europäischen Umweltpolitik und des andauernden Kriegs in der Ukraine ist auch künftig nicht mit sinkenden Lebensmittel- oder Energiepreisen zu rechnen. Lein: «Und läuft die Inflation aus dem Ruder, verlieren die Menschen das Vertrauen in eine stabile Kaufkraft ihres Geldes.»

Für stabile Preise und damit für Vertrauen in die Wirtschaft haben die Notenbanken zu sorgen. Vergangene Woche hat die SNB deshalb erstmals seit 2007 den Leitzins um einen halben Prozentpunkt angehoben und sich damit tendenziell von ihrer Politik der Negativzinsen verabschiedet.

Die Wirtschaft muss gebremst werden

SNB-Präsident Thomas Jordan tut das mit dem Ziel, die Wirtschaft zu bremsen und dadurch den Inflationsdruck zu reduzieren. Makroökonomin Lein spricht von einem wichtigen Signal: «Es war entscheidend, dass die SNB schnell reagiert hat.» Doch lediglich diese eine Zinserhöhung wird wohl kaum genügen, um die Inflation in den Griff zu kriegen. Lein geht deshalb davon aus, dass die Nationalbank die Zinsen Ende Jahr nochmals anheben wird.

Die Hoffnung, dass die Teuerung nicht so stark durchschlägt wie im Ausland, ist zudem mit dem starken Franken verbunden. Denn wenn der Kurs des Frankens zulegt, bremst das die importierte Inflation – die wichtigste Einfallsschneise des gegenwärtigen Preisauftriebs.

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