Wegen Bericht über hohe Bio-Margen
So wollte Migros den Preisüberwacher stoppen

Der orange Riese liess die Muskeln spielen, um eine unliebsame Publikation von Stefan Meierhans zu verhindern. Dieser liess sich nicht aufhalten, machte aber Zugeständnisse.
Publiziert: 18.03.2023 um 07:54 Uhr
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Aktualisiert: 18.03.2023 um 19:04 Uhr
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Exklusive Einblicke: Gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz konnte SonntagsBlick die Korrespondenz zwischen der Migros und dem Preisüberwacher einsehen.
Foto: Zvg
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Ende Januar publizierte Preisüberwacher Stefan Meierhans (54) eine Vorabklärung zu Preisen und Margen bei Bio-Lebensmitteln. Das Fazit: Bio-Produkte hätten hierzulande «eine extra hohe Marge» zu tragen und würden dadurch stärker verteuert als in anderen Ländern.

Als Grund dafür vermutet der Preisüberwacher das «wenig wettbewerbsintensive Umfeld» in der Schweiz. Im Bericht wird gar die Frage aufgeworfen, ob hierzulande eine «kollektive Marktbeherrschung von Coop und Migros» bestehe und dadurch der wirksame Wettbewerb «massiv behindert» werde.

Originalversion bleibt ein Geheimnis

Diese Aussagen haben es in sich. In der ursprünglichen Version des Berichts hatte der Preisüberwacher aber noch zahlreiche weitere Aussagen gemacht, die überhaupt nicht nach dem Gusto von Migros und Coop waren.

Leider wird die Öffentlichkeit diese ursprüngliche Version jedoch nie zu Gesicht bekommen. Die Anwälte der Migros haben es durch juristische Drohungen nämlich nicht nur geschafft, dass sich die Publikation des Berichts um mehr als einen Monat verzögert hatte, sondern sie erreichten auch, dass der Preisüberwacher zahlreiche Anpassungen – sprich Abschwächungen – vorgenommen hat.

Migros fühlt sich an den Pranger gestellt

Dabei ging der orange Riese nicht gerade zimperlich vor, wie Recherchen zeigen. In einem Schreiben vom 9. Dezember 2022, das SonntagsBlick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz der Verwaltung einsehen konnte, bekundeten die Migros-Juristen nicht nur ihr «Befremden» über den geplanten Bericht, sondern bezeichneten die Arbeit des Preisüberwachers auch als «stark tendenziös» und monierten, dass die Migros «ohne fundierte Datenlage» an den Pranger gestellt werde.

Sauer aufgestossen war der Migros insbesondere, dass im Bericht ausschliesslich die hohen Margen von Migros und Coop angeprangert werden sollten, während jene vergleichbarer Vollsortiment-Anbieter wie Spar und Volg nicht einmal erwähnt würden.

Überhaupt nicht einverstanden war die Migros auch mit der Behauptung, dass man zusammen mit Coop ein «faktisches Duopol» habe und die Discounter Aldi und Lidl in der Schweiz kaum eine Bedeutung hätten. Detailhandelsdaten würden zeigen, dass 2021 drei Viertel der Schweizer Haushalte auch bei Aldi oder Lidl eingekauft hätten, so die Direktion Legal & Compliance des Genossenschaftsbundes. Genau das sei Wettbewerb.

Vorwurf der Rechtswidrigkeit

Weiter bemängelten die Migros-Verantwortlichen, dass der Hauptgrund für die höheren Bio-Preise – die deutlich höheren Produzentenpreise – im Bericht «gänzlich unterschlagen» würden.

Schliesslich hielt die Migros in dem Schreiben fest, dass man die Dokumente des Preisüberwachers als «klar rechtswidrig» einstufe. Die Anwälte forderten deshalb, dass auf die Publikation in vorliegender Form verzichtet werde.

Veröffentlichung verzögert sich

Eine Woche später, am 16. Dezember 2022, teilte Meierhans mit, dass er die «gewünschten Bereinigungen» grundsätzlich berücksichtigen wolle, dies allerdings nur, um Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen und die Ergebnisse seiner Abklärungen «ohne weiteren Verzug» publizieren zu können.

Doch das war ein frommer Wunsch: Gleichentags traf in Bern ein weiterer Brief ein, in dem die Migros nicht weniger als 53 Berichtigungsanträge stellte. «Dies für den Fall, dass Sie wider Erwarten an der Veröffentlichung des Berichts festhalten.»

Damit war die rechtzeitige Veröffentlichung des Berichts endgültig nicht mehr möglich.

Kurz vor Weihnachten, am 23. Dezember, wandte sich Meierhans erneut an die Migros und kritisierte die Direktion Legal & Compliance dafür, dass sie mit ihren Anträgen weit über das hinaus gegangen sei, was ursprünglich intendiert war, nämlich allfällige Geschäftsgeheimnisse zu markieren. «Sie fordern praktisch, dass der Preisüberwacher die Sichtweise der Migros übernimmt», echauffierte sich «Monsieur Prix».

Der Preisüberwacher kann das vor allem deshalb nicht nachvollziehen, weil es sich beim Bericht um eine «Vorabklärung» handle, in der es lediglich darum gehe, Anhaltspunkte für eine missbräuchlich hohe Marge bei (Bio-)Produkten zu finden. Dabei seien die Beweisanforderungen reduziert.

Nichtsdestotrotz teilt Meierhans mit, dass er die Anträge eingehend geprüft habe und bereit sei, der Migros «im Rahmen des noch vertretbaren» entgegenzukommen. «Mehr ist nicht möglich, ansonsten würde ich meinen gesetzlichen Prüf- und Informationsauftrag nicht mehr genügend erfüllen.»

Migros stellt weitere Forderungen

Doch am Zürcher Limmatplatz war man noch immer nicht zufrieden. Am 12. Januar 2023 schlugen die Migros-Anwälte in einem weiteren Brief zwar etwas versöhnlichere Töne an, verlangten aber immer noch Anpassungen, jetzt noch deren zwölf.

Anschliessend korrespondierten der Preisüberwacher und die Migros erneut fünfmal – bis am 27. Januar 2023 endlich der Bericht erschien.

Wie viel dieser noch mit der ursprünglichen Version zu tun hat, geht aus der Korrespondenz nicht abschliessend hervor, da die entscheidenden Stellen fast komplett geschwärzt sind. Klar ist nur, dass die Migros in der Vorabklärung etwa gleich oft erwähnt wird wie Coop. Die Genossenschaftsgruppe aus Basel hat die ursprüngliche Version des Berichts aber «unkompliziert» akzeptiert, als sie ihn im Dezember vom Preisüberwacher erhalten hatte.

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