In Kreuzlingen TG keimt leise Hoffnung auf. Hoffnung, dass das jahrelange Wehklagen über den Einkaufstourismus endlich Früchte trägt. Dass die Schweizer nicht mehr in Scharen nach Konstanz (D) pilgern, sondern ihr Geld in den hiesigen Geschäften ausgeben.
Anlass zur Hoffnung geben die verhältnismässig leeren Strassen und Geschäfte in Konstanz. «Unter der Woche ist die Kundenfrequenz noch immer zehn Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau», sagte Lago-Chef Peter Herrmann (53) zu Blick. Andere berichten gar von bis zu einem Drittel weniger Kunden. Schuld sind unter anderem die hohen Benzinpreise und die galoppierende Inflation in Deutschland. Einige Händler in Konstanz rufen nun gar nach Staatshilfen.
Parkplätze in Kreuzlingen bleiben leer
Die ausbleibende Lust der Schweizer Einkaufstouristen für Shoppingtrips nach Konstanz ist auch in Kreuzlingen deutlich spürbar. «Es gibt hier Parkplätze, auf denen die Einkaufstouristen ihre Autos stehen lassen und dann zu Fuss über die Grenze gehen», erzählt der Kreuzlinger Stadtpräsident Thomas Niederberger (52). «Die werden nicht mehr so intensiv genutzt wie früher.»
Davon profitieren aber nicht automatisch die Kreuzlinger Geschäfte. Denn in Konstanz fehlt unter anderem die zahlungskräftige Kundschaft aus Zürich und St. Gallen. Sie fährt für den Einkaufsbummel zwar nicht mehr über die Grenze – aber eben auch nicht in den Grenzkanton Thurgau.
Credos aus der Pandemie verpufft
Während der Pandemie galt: Lokal einkaufen! «Das hatte nach der Grenzöffnung vielleicht noch ein halbes Jahr Bestand», schätzt Claudia Ruckstuhl (53), Geschäftsführerin der Papeterie und Buchhandlung Bodan in Kreuzlingen. Mittlerweile ist der Effekt verpufft. «Aber damit mussten wir ja rechnen», meint die Thurgauerin.
Die Umsätze hätten sich wieder auf dem Vor-Corona-Niveau eingependelt, so das Fazit bei verschiedenen angefragten Gewerbetreibenden. Eine Dorf-Metzgerei sagt gegenüber Blick scherzend, man wünsche sich beinahe wieder Grenzschliessungen. Zitieren lassen will sich der Metzger mit dieser Aussage dann aber doch lieber nicht.
Lago startet Charme-Offensive
Dennoch: Klagen wollen die Kreuzlinger Gewerbler nicht. Sandra Linder (48), Inhaberin der Kleiderboutique Unique Style, sagt gelassen: «Unseren Laden gibt es seit 1997. Wir haben schon alles miterlebt: die Eurokrise, die Pandemie.» Ihr Rezept gegen den Einkaufstourismus? «Wir müssen uns abheben, können nicht einfach das gleiche Angebot haben wie die Läden in Konstanz drüben. Und wir müssen den besseren Kundenservice bieten.»
In Linders Fall heisst das unter anderem, dass sie ihre Kundschaft zweimal jährlich zum «Mode-Apéro» im Kleiderladen einlädt. Doch auch das Konstanzer Gewerbe setzt zu einer Charme-Offensive an. Das Einkaufszentrum Lago wirbt derzeit im grossen Stil in Schweizer Medien, um die frühere Kundschaft zurückzugewinnen. Nun soll noch eine grosse Radiokampagne hinzukommen.
«Wir sind zuversichtlich, auf diese Weise im Herbst wieder auf dem Vor-Corona-Niveau anzukommen», sagt Lago-Chef Peter Herrmann. «Die Zeichen stehen gut!» Für Konstanz. Nicht für Kreuzlingen.