Dieser Schlag aus den USA hat Bundesbern in helle Aufregung versetzt: Die Schweiz sei die «Gehilfin Putins». So stellte es die sogenannte Helsinki-Kommission, ein unabhängiges Gremium aus US-Parlamentariern, an einer Sitzung Anfang Mai dar. Einer der lautesten Kritiker der Schweiz war Roger Wicker (70), republikanischer US-Senator für den Bundesstaat Mississippi.
Jetzt ist ausgerechnet Wicker Teil der US-Delegation, die am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos teilnimmt. Blick hat ihn im Kongresshaus auf seine Schweiz-Schelte angesprochen. «Das war ja klar, dass diese Frage kommt, wenn ich hier bin.» Er habe nur kurz Zeit, sagt Wicker – kommt dann aber doch in Plauderlaune: «Die in der Anhörung geäusserten Standpunkte wurden gut aufgenommen. Der Schweizer Botschafter Jacques Pitteloud besuchte mich, und wir hatten ein sehr nettes Gespräch über Themen, bei denen wir uns einig sind.»
«Wir schätzen, dass die Schweiz ihre Neutralität aufgegeben hat»
Damals hiess es wörtlich in einem Statement der «Helsinki-Kommission»: «Die Schweiz ist seit langem als Zielland für Kriegsverbrecher und Kleptokraten bekannt, die dort ihre Beute verstecken.» Im aktuellen Kontext sei sie «ein führender Wegbereiter des russischen Diktators Wladimir Putin und seiner Kumpanen».
Gegenüber Blick analysiert Wicker die Rolle der Schweiz im Ukraine-Krieg nüchterner. «Lassen Sie mich mit Nachdruck sagen, dass wir es sehr schätzen, dass die Schweiz ihre jahrhundertealte Position der Neutralität aufgegeben hat.»
Die Aussage zeigt, wie das Ausland die neue Sanktionspolitik des Landes interpretiert. Die offizielle Schweiz versucht seit Wochen der Welt klarzumachen, dass die militärische Neutralität mit den Wirtschaftssanktionen gegen Russland nicht verletzt werde. Am Montag versuchte es Bundespräsident Iganzio Cassis (61) an seiner Eröffnungsrede in Davos abermals. Er sprach von einer «kooperativen Neutralität», der sich die Schweiz verpflichtet sehe. «Neutralität heisst nicht, abseits zu stehen», so Cassis.
«Schweizer Reaktion war wichtig für die EU»
Wicker derweil will das Gespräch mit Blick nutzen, um die Wogen zu glätten. «Ich möchte nicht, dass es in dieser Unterhaltung nur um diese Anhörung geht», sagt der US-Senator. Es gelte, die Bedeutung der Schweizer Reaktion auf den russischen Angriffskrieg zu unterstreichen. «Das war auch wichtig für die Europäische Union.»
Er sei sich in mehreren Gesprächen bewusst geworden, was das Statement der «Helsinki-Kommission» hierzulande ausgelöst habe. «Jetzt treffe ich dann gleich schon wieder Schweizer Politiker. Dort werden wir unsere Standpunkte sicherlich auch nochmals austauschen», sagt Wicker noch zu Blick, bevor er die bilateralen Räume des Kongresshauses ansteuert.