Die Vorwürfe waren happig. Die Schweiz sei eine Gehilfin Putins und seiner Kumpanen, ein Paradies für Geldwäscherei und schon seit Langem als Zielland für Kriegsverbrecher und Kleptokraten bekannt, die dort ihr Geld versteckten. Das waren Aussagen, die vergangene Woche an einer Anhörung der US-amerikanischen Helsinki-Kommission fielen, in der mehrheitlich US-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier sitzen.
Das liess Aussenminister Ignazio Cassis (61) nicht auf sich sitzen. In einem Telefonat mit dem US-Aussenminister Antony Blinken (60) verurteilte er die «politisch inakzeptablen Unterstellungen» und verlangte eine Richtigstellung.
Goldene Visa, Oligarchen-Hafen und Rohstoff-Drehscheibe
Doch die Schlagzeilen über das angebliche Putin-Paradies Schweiz geben auch im Bundeshaus zu reden. Parlamentarierinnen und Parlamentarier verlangen vom Bundesrat nun, reinen Tisch zu machen.
In einem unabhängigen Bericht solle der Bundesrat die Vorwürfe untersuchen lassen, dass die Schweiz «das ‹System Putin› mitfinanziert und stabilisiert» habe, heisst es im Vorstoss, den die St. Galler SP-Nationalrätin Claudia Friedl (61) eingereicht hat. Die Forderung ist breit abgestützt: Mitunterzeichnet ist der Vorstoss unter anderem von SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (34), GLP-Fraktionschefin Tiana Angelina Moser (43) und Mitte-Präsident Gerhard Pfister (59).
Die Parlamentarierinnen und -parlamentarier wollen unter anderem wissen, welche Rolle die Schweiz im Zusammenhang mit dem russischen Rohstoffhandel spielt, wie wichtig sie als Hafen für putinnahe Oligarchen ist und wie viele sogenannte «goldene Visa» die Schweiz in den vergangenen zwanzig Jahren reichen Russinnen und Russen ausgestellt hat.
Politiker fordern Transparenz
«Neutralität fängt nicht erst an, wenn Panzer an der Grenze stehen», sagt SP-Nationalrätin Friedl. Sie kritisiert, dass die Schweiz in vielen Bereichen bisher zu wenig transparent sei. Es sei enorm wichtig, dass die Schweiz nun sorgfältig aufarbeite, inwiefern sie mit ihrer Politik zur Finanzierung und damit zur Macht des Putin-Regimes beigetragen habe.
«Ich glaube nicht, dass der Bund bereit ist für eine systematische Aufarbeitung», sagt Friedl. Darum soll er jetzt dazu verpflichtet werden. Angesichts der breiten Unterstützung hat der Vorstoss Chancen, angenommen zu werden.