Die Vorstellung ist ein Albtraum: Der Pfändungsbeamte steht vor der Tür und will einem das letzte Hemd nehmen. In der Realität geschieht das aber nicht aus heiterem Himmel, sondern hat eine längere Vorgeschichte.
Am Anfang des Übels stehen Schulden und ein Zahlungsbefehl: Man wird betrieben. Zur Pfändung kommt es aber erst, wenn alles Reden und Sichwehren nichts nützt oder man schon gar keine Energie dazu hat. Zuständig ist das Betreibungsamt – es muss sich an einige Regeln halten.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Die schwierige Vorgeschichte
Angenommen, man kann die Steuern nicht fristgerecht zahlen oder kommt mit anderen Rechnungen nicht mehr klar: Dann flattern Mahnungen ins Haus, und es kann sein, dass eines Tages der Pöstler mit einem Zahlungsbefehl vor der Tür steht.
Wenn man nicht weiss, worum es eigentlich geht, oder mit der Forderung nicht einverstanden ist, sollte man innerhalb von zehn Tagen Rechtsvorschlag erheben. Falls tatsächlich eine Rechnung untergegangen ist, kontaktiert man am besten direkt den Gläubiger und bittet um einen Rückzug der Betreibung, sobald man gezahlt hat. Dann ist man den Eintrag im Betreibungsregister wieder los – ebenso entgeht man einer Pfändung.
Wenn man keinen Rechtsvorschlag erhebt oder der Gläubiger ihn vor Gericht erfolgreich aus dem Weg räumt, kann er die Betreibung fortsetzen lassen – und es kommt zur Pfändung.
Beim Betreibungsamt antraben
Den Anfang macht die sogenannte Pfändungsankündigung. Das ist nichts anderes als eine Einladung des Betreibungsamts. Man muss beim Amt antraben und alle nötigen Unterlagen wie Bankauszüge und Quittungen mitbringen. Nur selten findet der Pfändungstermin bei der verschuldeten Person zu Hause statt. Am ehesten dann, wenn das Amt vermutet, dass man Bargeld bunkert oder einen Picasso im Keller versteckt.
Beim Termin müssen Verschuldete die Hosen komplett herunterlassen, was ihre finanzielle Situation betrifft. Sie müssen offenlegen, was sie verdienen, welche Ausgaben sie haben und wie viel Vermögen auf den Konten liegt. Auch wertvolle Gegenstände oder Immobilien muss man angeben. Wer etwa den besagten Picasso im Keller verschweigt, macht sich strafbar.
Achtung: Wenn man den Pfändungstermin ignoriert, schneidet man sich ins eigene Fleisch. Dann darf das Betreibungsamt die Polizei schicken oder berechnet ein zu tiefes Existenzminimum.
Das Betreibungsamt rechnet
Aufgrund der Angaben rechnet das Amt das sogenannte betreibungsrechtliche Existenzminimum aus. Das ist der monatliche Betrag, den jemand mindestens zum Leben braucht. Auf dieses Minimum darf das Betreibungsamt nicht zugreifen.
Zuerst beurteilt das Amt, welchen Grundbedarf man hat. Dazu gehören etwa die Kosten für Nahrung, Kleidung, Wäsche und Körperpflege. Es gelten die Pauschalen in den Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz:
- für eine alleinstehende Person monatlich 1200 Franken,
- für Ehe- oder Konkubinatspaare 1700 Franken.
Einzelne Kantone haben abweichende Bestimmungen.
Hinzugerechnet werden die tatsächliche Miete inklusive Nebenkosten, Heizkosten, Krankenkassenprämien, Berufsauslagen, Fahrt zum Arbeitsplatz, Unterhaltsbeiträge, Schulkosten der Kinder und Arztkosten. Steuern werden nicht berücksichtigt.
Dann nimmt das Amt das Einkommen unter die Lupe. Wenn man verheiratet ist, wird auch das Einkommen des Ehepartners angerechnet, da eine gesetzliche Unterstützungspflicht besteht. Gepfändet werden darf der Ehepartner aber nicht direkt für die Schulden des anderen.
Wenn später etwa die Krankenkassenprämie oder der Mietzins steigen, kann man jederzeit beim Betreibungsamt eine Revision fordern. Einige Kantone bieten dafür Onlineformulare an, es geht aber auch mündlich oder per Post.
Man kann sich gegen die Berechnung wehren
Die schriftliche Berechnung des Existenzminimums bekommt man normalerweise als Verfügung, zusammen mit der Pfändungsurkunde. Wenn man nicht einverstanden ist, kann man die Berechnung innerhalb von zehn Tagen anfechten – und zwar kostenlos, mit einer Aufsichtsbeschwerde. Dazu schickt man einen eingeschriebenen Brief an die kantonale Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, die Fehler des Betreibungsamts feststellt und korrigiert. Anwaltschaftliche Hilfe braucht es dafür nicht. Man muss zusammenfassen, womit man nicht einverstanden ist, und eine Kopie der Verfügung und alle nötigen Belege beilegen.
Das wird gepfändet
Zuerst nimmt das Amt diejenigen Dinge, die es am einfachsten zu Geld machen kann. Daraus ergibt sich folgende Reihenfolge:
- Einkommen: Dazu gehört in erster Linie der Lohn (siehe «Lohnpfändung»). Und zwar derjenige Teil davon, der das errechnete Existenzminimum übersteigt – die sogenannte pfändbare Quote. Auch IV-Taggelder, IV-Renten aus der zweiten Säule und Pensionskassenrenten sind pfändbar wie Lohn. Es gibt aber auch Einkommen, die das Betreibungsamt nicht anfassen darf. Dazu gehören AHV-Renten und IV-Renten aus der ersten Säule. Ebenfalls unpfändbar sind Hilflosenentschädigungen, Sozialhilfeleistungen, Ergänzungsleistungen und Leistungen der Familienausgleichskassen. Achtung: Geld aus der Pensionskasse ist normal pfändbar. Wenn man eine Kapitalauszahlung erhalten hat, darf das Amt aber nicht einfach alles aufs Mal pfänden. Es muss eine hypothetische monatliche Rente berechnen und darf nur pfänden, was das Existenzminimum übersteigt. Man lässt das Kapital am besten auf ein separates Konto auszahlen und bestreitet nur den normalen Lebensunterhalt damit. Falls man das Geld mit anderem Vermögen vermischt oder damit auf zu grossem Fuss lebt, kann das Betreibungsamt grosse Beträge auf einmal pfänden.
- Wertvolle Gegenstände: Wenn das Einkommen nicht ausreicht, kann das Amt prüfen, ob die verschuldete Person wertvolle Gegenstände besitzt. Einen Fernseher, der sechs Jahre alt ist, wird es aber kaum mitnehmen. Ein dreijähriger Mini Cooper kann aber durchaus unter den Hammer kommen – es sei denn, das Auto ist unverzichtbar, zum Beispiel für den Beruf oder wegen einer körperlichen Behinderung.
- Liegenschaften: Erst wenn es sonst nicht genug gibt, versteigert das Amt unbewegliche Sachen wie Liegenschaften.
Wenn das Betreibungsamt Fehler macht
Wenn das Amt zu viel pfändet, kann man sich mit einer Aufsichtsbeschwerde wehren. Das Amt kann zudem nur das Eigentum der verschuldeten Person pfänden. Falls es zum Beispiel die Rolex des Mitbewohners für die Pfändung vormerkt, sollte man so schnell wie möglich mitteilen, dass das Schmuckstück jemand anderem gehört. Der Beamte muss das dann auf der Pfändungsurkunde vermerken. Wenn der Gläubiger meint, die Rolex gehöre dem Schuldner, kann er sich innert zehn Tagen beim Betreibungsamt melden und ein sogenanntes Widerspruchsverfahren einleiten. Dann erhält er die Möglichkeit, eine Klage einzureichen. Wenn niemand bestreitet, dass die Uhr dem Mitbewohner gehört, fällt sie aus der Pfändung.
Schulden beglichen oder Verlustschein
Wenn nach dem Pfändungsjahr immer noch Schulden übrig sind, bekommt der Gläubiger einen Pfändungsverlustschein. Damit kann er während 20 Jahren erneut die Betreibung einleiten – zum Beispiel wenn die verschuldete Person durch eine Erbschaft plötzlich zu Vermögen kommt. Oder er kann einfach verlangen, dass der Lohn ein weiteres Jahr gepfändet wird – wenn da nicht schon ein anderer Gläubiger wartet.
Falls man seine Schulden auf anderem Weg loswerden will, kann man mit dem Gläubiger schriftlich eine Abzahlung vereinbaren. Wenn alles beglichen ist, muss der Gläubiger den Verlustschein im Original quittiert beim Betreibungsamt einreichen.
Falls einen der Schuldenberg aber überfordert, sollte man sich an eine kantonale Schuldenberatungsstelle wenden.