Auf einen Blick
- 58 Mietparteien in Zürich-Wiedikon verlieren ihre Wohnung wegen Totalsanierung
- Eigentümerin lebte selbst in der Siedlung, stellt nun Mieter auf die Strasse
- Mietverträge laufen Ende März 2025 aus, mit Verlängerungsoption von 1 bis 2 Jahren
Zürich hat einen neuen Fall von Leerkündigungen: 58 Mietparteien der Döltschihalde-Siedlung in Zürich-Wiedikon verlieren ihre Wohnung. Über 100 Mieterinnen und Mieterinnen der Wohnblöcke zwischen Triemli-Spital und Uetliberg haben die Kündigung erhalten, berichtet der «Tages-Anzeiger».
Die Mieterschaft der Döltschihalde erlebt also Ähnliches wie jene der drei Sugus-Häuser in der Nähe des Zürcher Hauptbahnhofs. Dort hat die Eigentümerin Regina Bachmann (59) über 200 Mieterinnen und Mieter auf die Strasse gestellt, was schweizweit für viel Empörung gesorgt hat.
Wie ihre Sugus-Leidensgenossen sind auch die Betroffenen der Döltschihalde-Massenkündigung wütend und verunsichert. «Wir müssen die Stadt, unsere langjährige Heimat, wohl verlassen», berichtete eine Mutter der Zeitung. Und weiter: «Ich weine jeden Tag deswegen.» Weil gewisse Mietende nur wenig Geld haben, werden sie nur schwer wieder eine Wohnung in Zürich finden. Gerade für sie ist die Kündigung existenzbedrohend. In der Siedlung leben viele Familien und ältere Menschen. Der wohl berühmteste Sohn Wiedikons, die Nati- und FCZ-Legende Köbi Kuhn (†76), und seine Frau Alice (†73) wohnten einst dort, im Block an der Döltschihalde 39.
Eigentümerin wohnte selber in der Siedlung
Der Wiediker Fall hat weitere Parallelen zu jenem der Sugus-Häuser. So sind nicht alle Mietparteien der Siedlung betroffen. Jene im südwestlichen Teil dürfen bleiben. Der Grund: Die Siedlung hat zwei Eigentümer. Diese haben die Wohnblöcke von der Grossmutter geerbt, die auf dem Grundstück ihres einstigen Bauernhofs 1970 die Überbauung mit über 100 Wohnungen bauen liess.
Die Leerkündigungen ausgesprochen hat nur die Erbin der Wohnblöcke mit den ungeraden Hausnummern 25 bis 45. Im Gegensatz zum anderen Eigentümer will sie ihre zehn in die Jahre gekommenen Mehrfamilienhäuser totalsanieren. Mit der Renovation sollen die Grundrisse der Wohnungen geändert werden. Zudem erhalten die Häuser ein zusätzliches Stockwerk, so der Plan. Brisant: Die Döltschihalde-Erbin lebte einst selbst fünf Jahre in der Siedlung. Früher hat sie mit ihren Mietern gerne geschwatzt, jetzt stellt sie diese auf die Strasse.
Mietende erhalten «grosszügige Erstreckung»
Die Mietverträge laufen wegen der Kündigung Ende März 2025 aus. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» teilte der Mann der Eigentümerin mit, man biete den Gekündigten aber eine «grosszügige Erstreckung» an. Sie können ein Jahr oder zwei Jahre länger bleiben – je nach Hausnummer. Die Erneuerung der Häuser erfolgt nämlich in zwei Bauetappen. Die erste beginnt im April 2026, der zweite Schritt erfolgt dann zwölf Monate später. Die Mietenden können laut dem Mann ihre Wohnung jeweils per Ende Monat abgeben. Auf Wunsch verfasse man ein gutes Referenzschreiben.
Bei den Gekündigten besteht die Hoffnung, nach der Sanierung wieder ihre Wohnung beziehen zu können. Eine schriftliche Bestätigung dafür gibt es aber nicht. Zudem ist unklar, wie stark die Mieten steigen werden. Wer nicht zurückkehren kann, verliert ein Zuhause in ruhiger Lage – was bereits Alice Kuhn zu schätzen wusste: «Unser Luxus ist, dass wir praktisch hinter dem Haus Kühe am Fusse des Üetlibergs weiden sehen», sagte sie 2005 gegenüber Blick.