Nach der Skisaison ist vor der Skisaison. Das gilt nicht nur für unseren Ski-Star Marco Odermatt (26), der gerade meistens zwei Trainings pro Tag absolviert, um ab Ende Oktober wieder Siege en masse einfahren zu können. Sondern auch für die Schweizer Skigebiete. Denn kaum haben die Skitouristen ihre letzten Fahrten der Saison hinter sich, machen sie die Arbeiter der Bergbahnen an wichtige Vorbereitungen für den nächsten Winter.
Die Arbeiter schieben dann mit ihren Pistenraupen den übrig gebliebenen Schnee an strategischen Orten zu grossen Bergen zusammen. Die Schneehaufen kommen dann für den Sommerschlaf unter eine Decke – respektive unter ein weisses Abdeckvlies. Das Ziel: Den Schnee so vor Sonne und hohen Temperaturen zu schützen, dass er bis zum nächsten Herbst überlebt. Snowfarming heisst dieses Prozedere auf Neudeutsch. Der Frühlingsschnee wird also «bewirtschaftet», damit er den frühen Saisonstart sichert, selbst wenn es dann noch zu wenig geschneit hat. Oder es noch zu warm für die Beschneiungsanlagen ist.
Zwei- bis dreimal teurer als Kunstschnee
Gerade die grossen Schweizer Bergbahnen setzen seit einigen Jahren auf Snowfarming. Ein Beispiel: Saas-Fee VS. Im Walliser Skigebiet gibt es laut «Walliser Bote» zehn solcher Schneesilos. Bis zu 14'000 Kubikmeter Schnee liegen da auf den grössten Haufen. «Die Schneedepots ermöglichen uns, bereits im November ein zusätzliches Pistenangebot bereitzustellen», sagt Emmanuel Rossi von den Saastal Bergbahnen gegenüber der Zeitung.
Das Problem: Das «Übersommern» von Schnee ist sehr kostenintensiv. Der Aufwand pro Kubikmeter Snowfarming-Schnee belaufe sich auf neun bis zwölf Franken, heisst es im Bericht mit Verweis auf eine Analyse des in Davos GR beheimateten Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF). «Das ist zwei- bis dreimal mehr als konventionell produzierter Schnee», sagte ein SLF-Ingenieur gegenüber dem «Walliser Boten».
Zermatt hat schlechte Erfahrungen gemacht
Den Grossteil der Kosten machen die Pistenraupen aus. Die Pistenbullys karren die Schneemassen im Frühling tagelang zusammen. Und im Herbst beginnt dann das gegenteilige Spiel, wenn der Schnee wieder verteilt wird, um Skipisten zu präparieren. Erste E-Ratracs tragen dazu bei, dass die ganze Übung in Zukunft umweltverträglicher wird.
In der Vergangenheit haben Snowfarming-Aktionen schon für harsche Kritik aus Umweltschutzkreisen gesorgt. So entbrannte im Herbst 2023 ein regelrechter Bauarbeiten-Zoff um die Matterhorn-Abfahrt. Stein des Anstosses waren Bilder von Baggern, die auf dem Theodulgletscher in Zermatt VS die Piste für das anstehende Weltcup-Skirennen herrichten sollten.
Skigebiete brauchen den frühen Saisonstart
Trotz der hohen Kosten und des zunehmenden Gegenwinds vonseiten der Umweltschützer: Die Bergbahnen werden so schnell nicht vom Snowfarming abweichen. Für die Bahnen ist es zentral, dass sie ihr Skigebiet pünktlich zum angekündigten Saisonbeginn öffnen können. Das Geschäft mit den Ski- und Snowboardfahrern ist eines mit hohem Fixkostenanteil, den teuren Unterhalt der Anlagen müssen die Bergbahnen so oder so berappen. Da lohnt sich in vielen Fällen, das Skigebiet möglichst früh zu öffnen, weil so mehr Tage bleiben, um die sowieso anfallenden Ausgaben zu decken. Und weil die Konkurrenz im In- und Ausland gross ist.
Der Skisaisonstart fungiert zudem auch als Signal für die Touristen, dass sie bald ihre Winterferien buchen müssen. Und dieser Signalwirkung kommt eine immer grössere Wichtigkeit zu – wegen des zunehmend ausbleibenden Schnees in tiefen Lagen. «Im Flachland fehlt heutzutage oftmals der Stimulus von Schnee, um bei den Menschen Begeisterung für den Wintersport zu entfachen», sagte Jürg Stettler, Professor für nachhaltige Entwicklung im Tourismus an der Hochschule Luzern, im Januar gegenüber der «Handelszeitung».
Ein Umsatztreiber sind für ihn die Skirennen mit «Odi» und Co. Oder dann eben die Saisonstarts in den Skigebieten. Und für beides braucht es genügend Schnee. Da hilft es, wenn die Bergbahnen noch weisses Pulver aus dem Frühling in der Hinterhand haben.