Schlechte Neuigkeiten für Schweizer Haushalte
Gaspreise könnten auch bei uns explodieren

Der Gaspreis steigt erneut steil an und dürfte ein Loch in viele Schweizer Haushaltskassen reissen. Gemäss Energieberater Andreas Tresch (32) könnte es aber noch deutlich schlimmer kommen.
Publiziert: 19.02.2022 um 00:10 Uhr
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Der Ukraine-Konflikt treibt den Gaspreis durch die Decke und verzögert auch die Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2, mit der Russland Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland befördern würde.
Foto: Keystone
Martin Schmidt

Wer in der Schweiz mit Gas heizt, gerät beim Blick auf die Gaspreise ins Schlottern. Der Gaspreis ist in diesem Winter völlig durch die Decke geschossen. Nach einer kurzen Erholung im Januar zeigt die Kurve wieder steil nach oben und liegt aktuell doppelt so hoch wie vor zwei Jahren. Und die Prognosen sind wenig erfreulich. Die Preise könnten «erneut deutlich ansteigen», sagt Andreas Tresch (32) vom Beratungsunternehmen Enerprice.

Schuld daran ist der Russland-Ukraine-Konflikt, wie Tresch ausführt. Der russische Konzern Gazprom habe die Gasspeicher in Deutschland und Österreich deutlich weniger stark als in anderen Jahren gefüllt. Tresch vermutet dahinter politische Machtspiele. «Es wird spekuliert, dass Gazprom mit dem russischen Staat als Hauptaktionär Druck auf die Zertifizierung der Nord-Stream-2-Leitung ausüben wollte. Das hat dann nicht funktioniert.» Und so wurde auch kein weiteres Gas geliefert. Über die Pipeline Nord Stream 2 soll russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland geführt werden. Die Leitung ist zwar fertig verlegt, trotzdem bleibt unklar, wann sie in Betrieb genommen wird und ob überhaupt.

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Gaspreis vom Markt entkoppelt

Diese Machtspiele könnte bald auch die Schweizer Bevölkerung zu spüren bekommen. Jeder fünfte Schweizer Haushalt heizt aktuell mit Gas. Insgesamt 15 Prozent des nationalen Energiebedarfs werden durch Gas abgedeckt. Das Problem: Fast die Hälfte davon kommt aus Russland.

Der Ukraine-Konflikt hat zuletzt auch zu einer Entkopplung des Gaspreises von den übrigen Energiepreisen geführt.«Der Gaspreis ist viel, viel stärker gestiegen als beispielsweise der Ölpreis», sagt Tresch. Die Unsicherheiten bestimmen den Preis. Derzeit sind die hohen Preise noch nicht auf einen tatsächlichen Mangel zurückzuführen. Es fliesst sogar Gas von Europa in den Osten.

Die Situation sei aufgrund der tiefen Speicherstände weiterhin extrem angespannt. Jede Kältewelle, jede Abschaltung von Kernkraftwerken in Frankreich oder jede weitere Eskalation im Ukraine-Konflikt führe zu einer weiteren Preisexplosion. «Ein Krieg würde auch weitere Sanktionen gegen Russland bedeuten sowie den definitiven Stopp von Nord Stream 2», ist Tresch überzeugt. Zudem würde auch der Gasfluss durch die Ukraine versiegen.

«Das fehlende Gas aus Russland könnte in diesem Fall wohl nur bedingt über die USA via Flüssig-Erdgas-Lieferungen gedeckt werden.» Flüssig-Erdgas hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. In dieser Form benötigt der Rohstoff 600-mal weniger Platz und kann so auf Schiffen um den Globus befördert werden.

Normalisierung erst 2023/2024?

Einzelne Haushaltskunden sind den Preissteigerungen mehr oder weniger wehrlos ausgesetzt. «Sie sind auf eine gute Preisstrategie ihrer Gasversorger angewiesen. Leider hat sich hier herausgestellt, dass die meisten lokalen Gasversorger alle Risiken auf den Kunden abwälzen. Diese Tatsache ist sicher auch auf die monopolistische Struktur zurückzuführen», sagt Tresch. Schweizer Haushalte erhalten ihr Gas von einem der zahlreichen regionalen Anbieter. Immer mehr Versorger haben in den letzten Monaten die Preise für den Endkunden erhöht. Aufgrund der massiven Preissteigerungen wird in Deutschland gar über eine staatliche Gaspreisdeckelung diskutiert.

Tresch rechnet frühestens im Sommer mit einer Entspannung – falls sich der Konflikt beruhigt und Europa nicht von einer Kältewelle erfasst wird. «Bis sich die Gaspreise wieder ‹normalisiert› haben, dauert es aber womöglich bis 2023/2024.»


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