Kreml-Chef Wladimir Putin (70) will Öl durch Gold ersetzen. Seit Sonntag gelten neue Sanktionen gegen Russland, seither dürfen keine raffinierten Erdölprodukte von Russland mehr in die EU, die USA und auch die Schweiz geliefert werden. Das reisst ein Loch in Putins Staatskasse, das er nun zu stopfen sucht.
Laut dem russischen Finanzministerium sind zu diesem Zweck 3,6 Tonnen Gold verkauft worden. Das entspricht einem Marktwert von gut 200 Millionen Franken. Angesichts des 23-Milliarden-Franken-Lochs in der russischen Staatskasse nur ein Tropfen auf den heissen Stein. «Der Krieg wird nicht durch Gold finanziert, sondern weiterhin durch Öl und Gas», betont denn auch Christian Brenner (43), Geschäftsführer des Schweizer Goldhändlers Philoro. Den westlichen Sanktionen zum Trotz: China, Indien und andere Länder kaufen immer noch munter russisches Öl und Gas ein.
Doch Russland hat noch massenhaft Gold in petto, um die Staatseinnahmen aufzubessern. 551 Tonnen Gold hält der Staat laut Angaben des Finanzministeriums als Reserve.
Dass Putin seine Goldreserven zu Geld machen will, kommt dem Weltmarkt zugute: Der Hunger nach Gold ist riesig. Letztes Jahr steigerte sich die Nachfrage gemäss Angaben des World Gold Council um 18 Prozent und erreichte den höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren. Gold gilt als sichere Anlage in unsicheren Zeiten. Der Goldpreis könnte dieses Jahr sogar noch zulegen, prognostiziert Goldhändler Brenner. «Die Zentralbanken kaufen so viel Gold wie seit 55 Jahren nicht mehr. Sie fürchten sich vor einer Rezession.»
Russisches Gold unterliegt Sanktionen
Der Schweiz kommt im internationalen Goldhandel eine Sonderstellung zu: Vier der sieben weltgrössten Goldraffinerien liegen in der Schweiz. Gemeinsam verarbeiten sie – je nach Schätzung – 40 bis 70 Prozent des weltweit gehandelten Golds.
Direkt in die Schweiz kann Putin seine Goldreserven nicht verkaufen: Russisches Gold ist hierzulande sanktioniert. Dennoch wandert es weiterhin tonnenweise in die Schweiz – und das legal. Bei den aktuellen Importen handelt es sich laut Angaben der Zollbehörden um russisches Gold, das via Grossbritannien in die Schweiz gelangt. Es lagert zum Teil seit Jahren in Londoner Tresoren, ist von den Sanktionen nicht betroffen.
Wem es gehört und wer es in die Schweiz einführt, bleibt selbst innerhalb der Branche ein Rätsel. Die grossen Schweizer Raffinerien beteuern, sämtliche Geschäfte mit russischem Gold nach Kriegsausbruch eingestellt zu haben.
Goldwäscherei in Dubai
«Viel problematischer ist sowieso der indirekte Import», findet Marc Ummel (30), Rohstoffexperte bei der Nichtregierungsorganisation Swissaid. Russland exportiert das Gold zum Beispiel nach Dubai, Hongkong oder China. Dort wird es umgeschmolzen – und gelangt mit neuem Herkunftsstempel in die ganze Welt. Aus den Vereinigten Arabischen Emiraten etwa gelangten allein im Dezember 30 Tonnen Gold in die Schweiz. Und das, obwohl es in Dubai keine einzige Goldmine gibt.
«Das Schweizer Edelmetallgesetz ist zu lasch», kritisiert Ummel. Es schreibt vor, dass Raffinerien und Goldhändler in der Schweiz ihren letzten Zulieferer kennen – aber nicht die gesamte Lieferkette. Die hiesigen Raffinerien sind – nicht zuletzt als Verkaufsargument – um Transparenz bemüht. Aufgrund des zweifelhaften Rufs von Dubai als Goldwäscherei-Standort nehmen drei der vier grossen Schweizer Goldraffinerien von dort seit Jahren kein Gold mehr entgegen. Einzig die Tessiner Raffinerie Valcambi kauft noch Dubai-Gold.
Aber selbst wer Dubai aussen vor lässt, läuft weiterhin Gefahr, russisches Gold zu kaufen und damit Putins Krieg in der Ukraine zu finanzieren, warnt Ummel: «Sobald das Gold einmal im Markt ist, ist es schwierig nachzuverfolgen, weil zu viele Länder die Sanktionen nicht mittragen und weiterhin russisches Gold kaufen.»