Rückkauf von Aktien seit 2018
UBS verschenkt fast 11 Milliarden an Eigenkapital

Die Finanzministerin verlangt, dass die Grossbank verstärkt Eigenmittel bildet. Doch die Verantwortlichen schütten Kapital, das sie nicht unmittelbar brauchen, lieber an die Aktionäre aus.
Publiziert: 21.04.2024 um 16:49 Uhr
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Aktualisiert: 22.04.2024 um 08:48 Uhr
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Corinne Zellweger-Gutknecht, Professorin für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität Basel.
Foto: Zvg
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Vergangene Woche präsentierte Karin Keller-Sutter (60) in Bern Vorschläge für Massnahmen, mit denen der nächste Kollaps einer Grossbank verhindert werden soll. Diese Woche besuchte die Finanzministerin den Internationalen Währungsfonds in Washington, um auch auf der globalen Bühne für ihre Ideen zu weibeln.

Keller-Sutters Vorschläge bereiten der UBS Kopfzerbrechen

Dabei verkündete die liberale Politikerin selbstbewusst: Die Schweiz wolle sich aktiv an der Weiterentwicklung der internationalen «Too big to fail»-Regeln beteiligen, denn Staaten und Steuerzahler müssten vor den Folgen des Untergangs einer Grossbank bewahrt werden.

Bei der UBS sorgt vor allem der Plan höherer Eigenmittelvorgaben für ausländische Beteiligungen für Kopfzerbrechen. Damit will Keller-Sutter erreichen, dass systemrelevante Banken deutlich mehr Eigenkapital für Tochtergesellschaften im Ausland halten. Je nach Ausgestaltung müsste die UBS bei einer solchen Regelung 15 bis 25 Milliarden Franken zusätzliches Kapital aufbauen.

Höhere Eigenmittel bedeuten mehr Stabilität in schwierigen Zeiten. Dennoch hat die UBS in den vergangenen Jahren längst nicht alles getan, um ihre Sicherheitspolster zu vergrössern.

Wertpapierrückkäufe im zweistelligen Milliardenbereich

Eine Analyse von Blick zeigt: 2018 bis 2023 kaufte die Grossbank für 10,8 Milliarden Franken eigene Aktien zurück – und vernichtete damit ebenso viel Eigenkapital (siehe Tabelle). Hätte die UBS dieses Geld im Konzern belassen, könnte man Keller-Sutters Plänen deutlich entspannter entgegensehen.

Wertpapierrückkäufe heben den Aktienkurs eines Unternehmens, da am Markt weniger Anteilsscheine gehandelt werden können. Für Aktionäre ist das zunächst positiv – deshalb überrascht es wenig, dass sie die Vorschläge der UBS-Spitzen stets durchgewinkt haben. Aufgegleist wurden die Pläne vom ehemaligen CEO Ralph Hamers (57), dem langjährigen Verwaltungsratspräsidenten Axel Weber (67), seinem Nachfolger Colm Kelleher (66) sowie dem alten und neuen CEO Sergio Ermotti (63).

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Vorgehen der UBS irritiert Professorin

Corinne Zellweger-Gutknecht, Professorin für Privatrecht und Wirtschaftsrecht an der Universität Basel, sieht dieses Vorgehen kritisch: «Es konnte die UBS nicht überraschen, dass bei einer Übernahme der CS die Eigenmittelanforderungen massiv steigen würden. Trotzdem hat der Verwaltungsrat darauf verzichtet, vorsorglich ausreichende Eigenmittel für eine solche Fusion aufzubauen.» Stattdessen sei das Geld noch 2022 und 2023 für Aktienrückkäufe eingesetzt worden – als die Probleme der Credit Suisse immer offensichtlicher wurden.

Laut Zellweger-Gutknecht könne dies zweierlei bedeuten: «Entweder haben die Verantwortlichen eine Zusammenlegung mit der CS lange nicht ernsthaft in Betracht gezogen – oder sie rechneten für einen solchen Fall von Anfang an mit langen Übergangsfristen betreffend Eigenmittelvorschriften.

Bankexperte hat mehr Verständnis

Andreas Venditti (51), Analyst bei Vontobel, hat mehr Verständnis für das Vorgehen der Grossbank: «Der Markt erwartet von der UBS eine attraktive Kapitalrückführungsstrategie in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen, so wie es auch ihre globalen Konkurrenten umsetzen.» Insbesondere für die grossen US-Banken, mit denen sich die UBS vor allem vergleiche, gehörten Aktienrückkäufe zum Standard.

Der Bankenexperte weist darauf hin, dass der grösste Teil der Aktienrückkäufe vor 2023 stattgefunden hat – also zu einer Zeit, als weder die CS-Übernahme noch die Verschärfung der Eigenkapital-Vorschriften ein Thema gewesen seien.

Zudem merkt Venditti an, dass die UBS das Vorgehen wahrscheinlich nicht im Alleingang beschlossen habe: «Es ist davon auszugehen, dass die Aktienrückkaufprogramme jeweils in Absprache und mit dem Segen der Finma angekündigt worden sind.»

Die Aufsichtsbehörde bestätigt dies – zumindest halbwegs: «Die Finma überprüft die Kapitalplanung der Banken und nimmt dabei eine vorausschauende Sicht ein», erklärt ein Sprecher. Die Kapitalplanung umfasse auch die geplanten Ausschüttungen. Gleichwohl genehmige die Finma formell «keine spezifischen Instrumente zur bankseitigen Kapitalbewirtschaftung».

UBS plant weitere Wertpapierrückkäufe

So oder so: Die Aktienrückkäufe der Vergangenheit lassen sich nicht rückgängig machen. Die zentrale Frage bleibt jedoch, ob die UBS ihre Gewinne in Zukunft vermehrt im Unternehmen belassen wird.

Aktuell sieht es nicht danach aus: Im Februar haben die UBS-Verantwortlichen angekündigt, bis April 2026 weitere Aktien im Umfang von zwei Milliarden Franken zurückkaufen zu wollen.

Doch damit nicht genug: Im Jahresbericht ist festgehalten, dass die Grossbank ab 2026 sogar mehr Aktienrückkäufe tätigen will als vor der CS-Übernahme. 2022 hatte die UBS Aktien im Wert von 5,3 Milliarden Franken zurückgekauft.

Entscheidung an der Generalversammlung

Hält die UBS trotz Keller-Sutters Powerplay an diesen Plänen fest? Kommenden Mittwoch, an der Generalversammlung, wird die UBS-Spitze eine Antwort liefern müssen.

Venditti geht davon aus, dass sie von den geplanten Aktienrückkäufen im laufenden Jahr nicht abrückt. «Dass die UBS ab 2026 mindestens denselben Betrag zurückkaufen wird wie 2022, wie das im Februar angekündigt wurde, ist nun jedoch weniger wahrscheinlich», so der Analyst.

Eigenmittel können staatliche Garantien verhindern

Zellweger-Gutknecht wiederum betont, dass zusätzliche Eigenmittel der Bank im Krisenfall helfen würden, ihre systemrelevanten Funktionen aufrechtzuerhalten: «Fehlt dieser Puffer, ist das Risiko grösser, dass Bankkunden und andere Gläubiger Verluste erleiden – oder gar der Staat mit einer Garantie einspringen muss.»

Die Wirtschaftsrechtsprofessorin wünscht sich deshalb, dass die Gesetz- und Verordnungsgeber klarstellen, ob Aktienrückkäufe und vergleichbare Geschäfte zulässig sein sollen, bis die neuen Eigenmittelvorschriften verpflichtend sind.

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