Fragwürdige Strategie von Schweizer Banken
Millionenkredite, um Superreiche noch reicher zu machen

Angesichts tiefer Zinsmargen verliehen viele Kreditinstitute mehr Geld denn je. Millionäre erhielten Milliarden, um in Aktien und Immobilien zu investieren. Die Finma warnt vor den Risiken dieses Geschäftsmodells.
Publiziert: 03.12.2023 um 17:48 Uhr
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Aktualisiert: 04.12.2023 um 14:02 Uhr
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René Benko erhielt von der Bank Julius Bär einen Kredit über 600 Millionen Franken in drei Tranchen zu 200 Millionen. Mindestens eine Tranche ist hoch ausfallgefährdet.
Foto: keystone-sda.ch
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Die Finanzwelt reibt sich die Augen: Weshalb gewährt eine auf Vermögensverwaltung spezialisierte Bank wie Julius Bär einem Immobilienmogul wie René Benko (46) Kredite über 606 Millionen Franken?

Das Risikomanagement hat versagt – und viele befürchten, das Traditionshaus könnte weitere kritische Kredite in den Büchern haben.

Das Thema beschränkt sich jedoch nicht auf Julius Bär. In den vergangenen Jahren haben in der Vermögensverwaltung fast alle Banken ihre Ausleihungen stark erhöht. Der Grund: Ein seit der Finanzkrise 2008 anhaltend tiefes Zinsniveau schmälerte ihre Margen.

«Um dies zu kompensieren, haben die Banken das Kreditvolumen stark ausgeweitet», sagt Andreas Venditti (51), Finanzanalyst bei der Bank Vontobel. «Insbesondere Superreichen wurden Kredite schmackhaft gemacht, mit denen sie noch mehr Geld in Aktien und Immobilien investieren konnten.»

Normalerweise gehe es dabei um Hypotheken oder klassische Lombardkredite, bei denen der Kreditnehmer ein breit diversifiziertes und liquides Wertschriftenportfolio als Sicherheit hinterlegt. Besonders in Asien, so Venditti, seien solche Kredite aber auch an Kunden vergeben worden, die nur an einem einzigen, bisweilen nicht einmal börsenkotierten Unternehmen beteiligt sind: «Solche Kredite, Single Stock Loans genannt, sind deutlich risikoreicher.»

«Die Banken hebeln damit ihre Gewinne in die Höhe»

Julius Bär war bei der Kreditvergabe besonders aktiv: 2013 verbuchte die Bank 20,5 Milliarden Franken ausstehender Lombardkredite, Ende 2021 waren es 42 Milliarden – mehr als doppelt so viel. Doch auch die Schweizer Grossbanken strebten nach höheren Erträgen. Venditti: «Die Credit Suisse hat im Wealth Management ebenfalls stark auf Kredite gesetzt, die UBS ist in den vergangenen Jahren von einem deutlich tieferen Niveau aus etwas nachgezogen.»

Venditti betont jedoch: «Das Kreditvolumen alleine ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass die Risiken genau geprüft werden – und wie werthaltig die vorhandenen Sicherheiten sind.»

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«Superreichen wurden Kredite schmackhaftgemacht»
Andreas Venditti, Finanzanalyst
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Kredite für Superreiche, die mit Firmenanteilen, Immobilien oder Wertpapieren hinterlegt sind, sieht Marc Chesney (64) generell skeptisch. Der Finanzprofessor an der Universität Zürich sagt: «Die Banken hebeln damit ihre Gewinne in die Höhe.» Solange die Märkte mitspielen und die Kurse steigen, sei das für die Beteiligten eine Win-win-Situation, so Chesney. «Im Falle eines Börsencrashs oder einer Finanzkrise sind solche Kredite aber toxisch, weil sie die Abwärtsspirale zusätzlich beschleunigen und das System destabilisieren.»

Auch die Finanzmarktaufsicht (Finma) hält das für denkbar. In ihrem «Risikomonitor 2023», vor drei Wochen publiziert, beurteilte die Finma das Lombardkreditportfolio der Schweizer Banken so: «Es besteht die Möglichkeit, dass die von den Banken angewendeten Sicherheitsabschläge (Haircuts) zu niedrig sind. Das bedeutet, dass die Kredite nicht ausreichend mit Sicherheiten gedeckt sein könnten.» Wenn die Kundschaft in solchen Fällen ihrer Nachschusspflicht nicht mehr nachkomme, könnte dies zu «Kreditausfällen und Verlusten» führen. «Ebenso können sich Konzentrationsrisiken ergeben, wenn die Ausleihungen nur auf einzelnen (Single Stock Lending) oder wenig diversifizierten Sicherheiten basieren», so die Finma weiter.

Es klingt wie eine Warnung vor dem Fall Benko.

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