Sergio Ermotti (63) ist der gefragteste Mann der Schweizer Wirtschaft. Der UBS-CEO gibt souverän Auskunft, wenn er zur Übernahme der Credit Suisse befragt wird. Bedenken bezüglich Grösse der neuen Bank lächelt der Tessiner charmant weg – oder er versucht, sie zu relativieren.
So auch anfangs September am Tag der Zuger Wirtschaft. Auf die Frage, ob die neue UBS «too big to fail» sei, meinte Ermotti: «Wir sehen uns in der Schweiz als führende Bank. Wir sind aber nicht die grösste Bank. Die Statistik zeigt klar, dass die Kantonalbanken aggregiert grösser sind als die UBS.»
Ermottis Vergleich hinkt
Es ist ein Vergleich, den die UBS seit Monaten streut – und der bei Experten für Kopfschütteln sorgt. Der Grund: Im Gegensatz zur UBS handelt es sich bei den Kantonalbanken nicht um ein Finanzinstitut, sondern um 24 eigenständige Unternehmen.
Christian Leugger, stellvertretender Direktor des Verbands Schweizerischer Kantonalbanken (VSKB) betont deshalb: «Es ist aus unserer Sicht nicht sachgerecht, die 24 Kantonalbanken in Bezug auf die Systemrelevanz ‘aggregiert’ mit der UBS zu vergleichen.»
Was sagt die UBS zu dieser Kritik? Die Medienstelle teilt auf Anfrage mit, dass sich Ermottis Aussagen auf die Markt- und Wettbewerbssituation bezogen hätten. Ein Sprecher führt aus: «Der Marktanteil der Kantonalbanken ist grösser als jener von UBS und CS aggregiert – nicht nur schweizweit, sondern auch vor Ort in fast allen Kantonen.» Gemäss Statistiken der Nationalbank seien die Grossbanken in allen wichtigen Bereichen, wie etwa dem Hypothekar- und Depositenmarkt und bei Krediten an öffentlich-rechtliche Körperschaften, nicht Marktführer. «Auch was die Zahl der Geschäftsstellen betrifft, liegt UBS laut öffentlichen Statistiken nach dem Zusammenschluss nur an dritter Stelle.»
24 unabhängige Finanzinstitute
Diese Aussagen sind unbestritten. Doch die Frage, ob der Vergleich mit den «Kantonalbanken aggregiert» Sinn macht, bleibt bestehen. Für Leugger vom VSKB ist klar: «Man kann durchaus Bankengruppen miteinander vergleichen. Daraus lässt sich aber absolut keine Marktmacht oder Systemrelevanz eines einzelnen Instituts ableiten.» Die Zahlen zeigten in erster Linie, dass die Art des Bankings der Kantonalbanken erfolgreich sei.
Die Kantonalbanken seien kein Konzern, sondern 24 einzelne Unternehmen mit eigener Rechtsperson, komplett unabhängig voneinander. «Sie haben keine gemeinsame Strategie für die Marktbearbeitung und es finden keinerlei Absprachen bezüglich dem Marktverhalten statt», so Leugger. Im Gegenteil: Die Kantonalbanken stünden gar im gesunden Wettbewerb zueinander.
Aktuell beschäftigt sich auch die Wettbewerbskommission (Weko) mit den Folgen der CS-Übernahme. Deren Direktor Patrik Ducrey (60) will sich wegen des hängigen Verfahrens nicht zu Ermottis Vergleich äussern. Er teilt jedoch mit, dass die Stellungnahme der Weko zum Zusammenschluss demnächst an die Finanzmarktaufsicht (Finma) gehe und diese das Verfahren dann mit ihrem Entscheid abschliessen werde.