Niemand will ihn. Er greift tief in die Privatsphäre. Und er ist schwierig loszuwerden. Der Streit mit den Nachbarn. Viele versuchen ihn mit Anwälten auszufechten. Das freut die Rechtsschutzversicherungen, die Geld damit verdienen.
Pandemie hat Nachbarschaftsstreitigkeiten befeuert
Am meisten Krach unter Nachbarn gibt es gemäss der Rechtsschutzversicherung Axa-Arag, einer Tochtergesellschaft der Axa, aus drei Gründen: Erstens, wegen Pflanzen, die zu hoch wachsen oder zu wenig Abstand haben. Zweitens, wegen Lärmbeschwerden. Nachbarn beschweren sich etwa über schreiende Kinder oder Baulärm. Und drittens, wegen Bauvorhaben bei den Nachbarn.
«Im Pandemiejahr 2020 sind die Anfragen bei der Rechtsschutzversicherung Axa-Arag zu nachbarrechtlichen Auseinandersetzungen um ein Viertel angestiegen», heisst es bei der Versicherung auf Anfrage. Der Versicherer Generali registrierte gar eine Zunahme um 43 Prozent.
Seither hat sich die Zahl der Nachbarschaftsstreitigkeiten, bei denen die Rechtsschutzversicherungen einspringen, auf hohem Niveau stabilisiert.
Jahreszeit spielt eine Rolle
Und es zeichnet sich gar ein weiteres Wachstum ab: Im ersten Halbjahr 2022 gingen bei der Axa-Arag über ein Drittel mehr Anfragen zu Baustreitigkeiten ein als im Vergleichszeitraum 2021.
«Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass durch die Pandemie das Zuhause wichtiger geworden ist», lässt sich Alexandra Pestalozzi, Rechtsanwältin bei der Rechtsschutzversicherung Axa-Arag, zitieren. «Dies hat möglicherweise auf der einen Seite zu neuen Bauprojekten und auf der anderen Seite zu einer verstärkten Wahrnehmung der negativen Folgen dieser Projekte – wie beispielsweise mehr Schattenwurf – geführt.»
Die Anfragen nach einer Rechtsschutzversicherung unterliegen saisonalen Schwankungen. Im Frühjahr, wenn es wärmer wird und sich die Menschen vermehrt auf dem Balkon oder im Garten aufhalten, nehmen die Anfragen jeweils zu.
Millionenbusiness Rechtsschutz
Rechtlicher Beistand ist ein gutes Geschäft. Immer mehr Leute schliessen eine Rechtsschutzversicherung ab. Die Axa-Arag hat ihr Prämienvolumen 2022 um 4,1 Prozent gesteigert. Bei Coop Rechtsschutz stiegen die Prämieneinnahmen um 4,9 Prozent.
Allein die Axa-Arag, Platzhirsch im Geschäft mit den Rechtsschutzversicherungen in der Schweiz, zählte im vergangenen Jahr ein Prämienvolumen von über 141 Millionen Franken. Bei Coop Rechtsschutz sind es immerhin rund 69 Millionen Franken.
Wie gross der Anteil der Nachbarschaftsstreitigkeiten am Gesamtumsatz ist, weisen die Versicherer nicht aus. Generali gibt immerhin einen Hinweis: 450 nachbarrechtliche Streitigkeiten und Anliegen hat ihre Rechtsschutzversicherung letztes Jahr abgewickelt.
Günstiger als der Gang vor Gericht wäre, wenn die Nachbarn aufeinander zugehen und gemeinsam nach einer Lösung suchen. Juristische Urteile lösen den Konflikt oft nicht.