Selten löst ein neues Produkt derart hitzige Diskussionen aus, noch bevor es auf den Markt kommt. Die Suizidkapsel Sarco sieht aus wie eine kleine Raumkapsel und dient Sterbewilligen als Modul für ihre letzte Reise. Deren Präsentation durch die neue Schweizer Sterbehilfeorganisation The Last Resort hat jedoch viele Fragen offengelassen. Ethische und rechtliche Bedenken wurden kaum adressiert.
Für Florian Willet (47) und Fiona Stewart (58), die Köpfe hinter The Last Resort, ist die Ausgangslage klar: Der Sarco entspreche den Vorschriften in der Schweiz – das sei jedenfalls die Meinung der von ihnen beigezogenen Rechtsberater.
Rechtsanwalt Fabian Teichmann (31) ist da skeptischer. Der geschäftsführende Partner der Kanzlei Teichmann International, sagt: «Aus meiner Sicht sind zu viele Punkte noch unklar, als dass man die Situation dermassen vereinfacht darstellen kann.»
Diverse Fragen noch ungeklärt
Erfüllt das Gerät alle Vorgaben für einen rechtmässigen Einsatz bei der Sterbehilfe? Dafür müsste zunächst geklärt werden, ob es sich bei Sarco um ein Medizinprodukt handelt, welches vor einem Gebrauch bewilligt werden müsste. Dann stelle sich die Frage, ob es für die Bedienung einer solchen Suizidkapsel eine Betriebs- und Berufsausübungsbewilligung bräuchte. Offen sei auch, ob Stickstoff mit dem Verwendungszweck für einen Suizid als Medikament angesehen werden müsste, womit wiederum eine behördliche Zulassung für die Verwendung zwingend notwendig wäre.
«Der Ablauf eines Suizides mit und die Bedienung von Sarco scheint mir noch sehr klärungsbedürftig», so Teichmann. Ebenso stünden strafrechtliche Fragen im Vordergrund. Beispielsweise, wie die Urteilsfähigkeit des Suizidwilligen zum konkreten Zeitpunkt des geplanten Suizides festgestellt werden soll, sofern kein Arzt anwesend ist. «Aus meiner Sicht sind diese Punkte allesamt problematisch und bedürfen daher einer vertieften rechtlichen Prüfung», so Teichmann.
Strafrechtliche Fragen sind zu klären
Zur Klärung dieser Fragen müssten Behörden vorab einbezogen werden. Bislang scheint der Austausch zwischen The Last Resort und den Behörden allerdings nur sehr beschränkt stattzufinden.
Klarheit wird es wohl erst im Rahmen gerichtlicher Auseinandersetzungen geben: «Ob ein Suizid durch eine Sterbehilfeorganisation mit Sarco strafrechtlich zulässig ist, kann nur ein Strafgericht nach einem durchgeführten Suizid mit dem Sarco feststellen», so Teichmann.
Dabei müsste geklärt werden, ob eine Strafbarkeit nach Art. 115 StGB vorliegt, wonach das Verleiten oder die Hilfe zum Selbstmord aus selbstsüchtigen Beweggründen erfolgt. Dafür gibt es Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen. Auch wenn bis anhin ausgeführt wurde, dass die Nutzung des Sarco gratis sei und lediglich der Stickstoff bezahlt werden müsste, so sei noch immer unklar, wie genau der Sarco funktioniert und wie The Last Resort strukturell aufgebaut ist.
«Je nach konkretem Ablauf des Suizides beziehungsweise der zugesprochenen Tatherrschaft würden auch weitere Strafbestimmungen in Betracht fallen», führt Teichmann aus. Solche Strafverfahren würden aufgrund des Offizialcharakters der entsprechenden Strafbestimmungen von Amtes wegen eröffnet. Damit bräuchte es keine Klage eines Betroffenen.
Beihilfe zum Freitod: Ja, aber...
In der Schweiz kann eine urteilsfähige Person selbst entscheiden, ob sie weiterleben will oder nicht. Trotzdem bleibt die Frage, ob die «Hilfestellung» für den Suizid durch eine solche Suizidkapsel und die Organisation eines Suizides durch The Last Resort rechtlich bewilligungsbedürftig und überhaupt zulässig ist. Funktionsweise, Ablauf und eine allfällige Rolle von Ärzten müssen noch geklärt werden.