Auf einen Blick
Tatsächlich, er spricht! Walter Frey, seit beinahe 55 Jahren Chef der Emil Frey Gruppe und für sein beharrliches Schweigen in Sachen Familienfirma so bekannt wie berüchtigt, sitzt in einem distinguierten Sitzungszimmer seiner Zentrale in Zürich Altstetten und beantwortet geduldig alle Fragen – zumindest fast alle.
Walter Frey ist, neben Amag-Eigentümer Martin Haefner, der zweite Automobilhandels-Gigant der Schweiz – beide meiden Auftritte in den Medien mit fast beeindruckender Konsequenz. Bei Frey wirkt die Schweigsamkeit allerdings verwunderlicher, weil er im Gegensatz zum öffentlichkeitsscheuen Haefner immerhin, von 1987 an, 14 Jahre für die SVP im Nationalrat sass, sich als Fraktionspräsident und in der Parteileitung engagierte, weil er sich zudem freiwillig dem Unmut vieler Sportfans stellte, als er 1997 die Eishockeyabteilung seiner Grasshoppers mit dem Stadtzürcher Rivalen ZSC zusammenlegte; zwar gab ihm der Erfolg bald recht und die «Zürich Lions» bekamen zudem bald wieder das identifikationsstiftende Kürzel «ZSC» in den Namen geschrieben – doch Frey hatte sich mit seinem Husarenstück auf der Titelseite des «Blicks» wiedergefunden. Mehr Scheinwerferlicht geht in der Schweiz nicht.
Ein Politiker, Sportfunktionär und -mäzen, der die Mikrofone meidet? Frey hat diese ungewöhnliche Kombination über Jahrzehnte inkorporiert und seine Zurückhaltung eisern durchgehalten. Der Mantel des Schweigens liegt sogar über der Firmenzentrale, die sich in den Obergeschossen einer Mehrmarkengarage versteckt: An der Abfahrt zur Tiefgarage steht ein unscheinbares Schild, das mit einem Pfeil voran zur Werkstatt leitet und linkerhand auf die «Zentralverwaltung» hinweist.
Rückblick auf 100-jährige Firmengeschichte
Dass Frey nun doch spricht, liegt an dem Jubiläum, das die Firmengruppe dieses Jahr feiert. Seit 100 Jahren besteht die Familienfirma, nur zwei Chefs gab es in dieser Zeit: Gründer Emil und Sohn Walter. In solchen Zeiten schaut man gern zurück auf das, was war – und das, was ist und was in Zukunft noch sein mag.
Zwar gehört auch ein Hochhaus nebenan zum Areal, doch hat es Methode bei Frey, dass sich die «Bundesordner-Herumschieber» der Verwaltung nicht von der Werkstatt separieren sollen: damit sie nicht das Gefühl dafür einbüssen, wo die wahre Arbeit an und mit der Kundschaft stattfindet, damit auch ihnen der Schweiss ausbricht, wenn einer vorfährt und sich echauffiert, weil an seinem Auto mal wieder etwas nicht funktioniert.
Vor sieben Jahren hatte BILANZ schon einmal eine Titelgeschichte über die Emil Frey AG publiziert – Walter Frey selbst und sein Management wollten damals nicht mit BILANZ sprechen, verzichteten dafür jedoch auf jegliche negative Reaktion.
Ein Detail des damaligen Artikels wollte Frey nun dennoch aufgreifen: die Information, dass es einen «privaten Lift von der Tiefgarage in die Teppichetage» gebe, den vorwiegend Frey selber nutze – die stimme so nicht. Bei seiner Gruppe, betonte er, gebe es keine speziellen Installationen oder Sonderbehandlungen für den Chef. Das Büro seines Vaters übrigens hat Walter Frey nie genutzt – heute arbeiten darin seine älteste Tochter Kathrin und Sohn Lorenz via «Double Desk»; beide sind in der Gruppe aktiv.
Drei Viertel des Umsatzes kommt aus dem Ausland
Dass er, wie wir berichtet hatten, gern in die Kantine zum Lunch gehe, stimme zwar, er sei aber nun länger nicht mehr dort gewesen. Meistens esse er im eigenen Büro, in letzter Zeit auch häufig gemeinsam mit den Kindern, da könne man sich in Ruhe austauschen.
Von diesem Büro aus hat Walter Frey die Gruppe zur heutigen Grösse entwickelt, seit er 1969 vom Vater die Chefrolle übernahm und ihm 1975 schliesslich das Unternehmen abkaufte. Die Zahlen verschweigt er zwar beharrlich, aber die Schätzung, wonach die Umsätze an der Schwelle von 18 Milliarden Franken kratzen, stellt Frey nicht in Abrede. Drei Viertel des Umsatzes werden im Ausland erwirtschaftet, rund 26'000 Mitarbeiter beschäftigt die Gruppe mittlerweile, davon dürften 2000 Lehrlinge sein. Das obere Kader hat keine modische Bezeichnung, sondern nennt sich «Merligen-Kreis» nach dem Treffpunkt, den man zwei Mal jährlich für Klausuren aufsuchte.
Doch dort reicht der Platz für die «Merliger» längst nicht mehr – früher 50 Personen, sind es heute 330. Die Frey-Gruppe arbeitet mit mehr Marken als jeder andere Autohändler in Europa, hat zudem zahlreiche Importeurs-Verträge, die lukrativer sind als reine Handelsvertretungen; ein Importeur verantwortet Ländermärkte für einen Hersteller, auch die besonders einträgliche Ersatzteilversorgung. Daher gilt Emil Frey als relative Ertragsperle im chronisch ertragsschwachen Autohandel.
Weil sich die Gruppe jegliche Dokumentation nach aussen erspart, gehört eine überblicksartige Darstellung zur fortgeschrittenen Recherchekunst. Verbürgt sind Präsenzen in den Ländern Schweiz, Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Polen, Ungarn, Tschechien, Serbien, Slowakei, Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Griechenland sowie Bulgarien.
Grosszügige Pensionskasse für die Angestellten
In der Schweizer Autobranche rangiert Emil Frey hinter dem VW-Konzernimporteur Amag auf dem zweiten Rang – mit geschätzten vier Milliarden Franken Umsatz, 60 Garagen und mehr als 4000 Mitarbeitern. Namentlich die Werkstattmitarbeiter schwärmen von der grosszügigen Pensionskasse – das alte Motto bei Frey, wonach ein Mechaniker, der von der Lehre bis zur Rente für die Gruppe schraubt, zum Abschied eine runde Million auf dem Pensionskassenauszug angesammelt hat, soll nach wie vor Bestand haben.
Schon Emil Frey hatte das Geschäftsmodell konsequent von der Kundenperspektive aus konzipiert. Niedergelegt ist das im «Kundenbrief» von 1935, der an zahlreichen Wänden der insgesamt 888 Standorte der Gruppe hängt. Frey dekretiert darin, dass in seiner Firma Fachleute Qualitätsware zu fairen Preisen verkaufen – es geht um die konkrete Kundenbeziehung vor Ort. Auch deshalb betont Walter Frey gern, dass die Grösse des Unternehmens einen Kunden schlicht nicht interessiere. Für Klienten sei nur wichtig, dass sie «Qualität in Service und Dienstleistung und beim Automobil» erhielten.
Ein weiteres wegweisendes Schreiben verfasste Emil Frey 1955, zum damals neumodischen Thema «Arbeitsklima»: Fröhliche Arbeiter leisteten mehr, fröhliche Chefs hätten grössere Erfolge – Frey hielt alle Mitarbeiter an, netter miteinander zu sein. Für guten Umgang in der Belegschaft ist die Frey-Gruppe bis heute bekannt.
Auf linkem Ohr hört er schlechter – «politisch bedingt»
Und so bildete sich ein Geflecht von Tochterfirmen, die wie kleine Unternehmen in der Gruppe agieren, und sich bei den legendären Budgetgesprächen im Spätherbst in der Zentrale rechtfertigen müssen. Walter Frey persönlich nimmt dann die Beichte ab, wahlweise auch Erfolgsmeldungen, fragt sich durch bis in die Niederungen einzelner Werbemittel und verblüfft immer wieder mit furchterregenden Detailkenntnissen. Diesen Verbund pflegt Frey gezielt – wer sich dazu versteigt, Emil Frey als «Konzern» zu bezeichnen, wird von Mitarbeitern aller Kaderstufen zackig berichtigt, «Gruppe» hört man viel lieber. Ein früherer Länderchef prägte dafür den Begriff «Vereinigte Hüttenwerke»; der genauso aus dem grossen Kanton stammt wie der nämliche Ex-Manager.
Walter Frey verkauft und repariert nicht nur Autos, sondern auch Töffs der Marken Kawasaki und Suzuki, in Zentraleuropa zudem schwere Lastwagen von Mercedes. Die vielen Nebengeschäfte reichen von der Autowaschanlage an der Zürcher Hardbrücke über einen Taxi-Dienst, die Lokalinfo AG mit ihren kleinräumigen Gratiszeitungen im Grossraum Zürich wie «Zürich West», «Kilchberger» oder «Küsnachter» bis zu Gastronomiebetrieben, als da wären das Hotel Bad Horn am Thurgauer Ufer des Bodensees, das Hofgut Albführen im deutschen Dettighofen, wo Frey auch eine Pferdezucht betreiben lässt, oder das Posthotel Taube im österreichischen Schruns, unweit von Freys Jagdrevier und der Heimat seines Schwagers Franz «Schurle» Rhomberg, der mit Freys Schwester Esther bis zu seinem Tod 2017 verheiratet war. Frey selbst soll die kürzliche Renovation, bis zu Details der Bestuhlung, eng begleitet haben.
Walter Frey ist mit einem feinen Humor ausgestattet. Auf dem linken Ohr, sagt er beiläufig, höre er etwas schlechter, aber das sei «natürlich politisch bedingt». Er kann punktgenau Pointen setzen, wenn er Geschichten erzählt, und zwar am liebsten dann, wenn das Tonband nicht mehr läuft. Die Anekdoten reichen von seinen frühen Asien-Reisen, wie er sich allein in Japan aufhielt, erstmals auf den Gründer der Automarke Suzuki traf, wie Amag-Gründer Walter Haefner, ein echter Pferdenarr, für ihn das Gut Albführen inspizierte oder wie er einst in die Politik eintrat: Oft nach Bern in die Kommissionen als Automobilexperte eingeladen, habe er schnell realisiert, dass im Parlament keiner etwas von Verkehr verstehe – und sich gesagt, das sei kein haltbarer Zustand. Und weil die Schweiz eine direkte Demokratie sei, habe er sich eben eine Partei gesucht.
Familie Frey ist kürzlich gewachsen
Wie es weitergehen kann, wenn Walter Frey sich einmal zurückziehen möchte, dazu schweigt der Patron. Freys Kinder, sagen Beobachter, engagierten sich stark in der Gruppe, arbeiteten ohne Allüren mit, haben aber bislang vermieden, sich operativ voll in den Wind des Marktes zu stellen, etwa als Markenchef einer Ländergesellschaft; angesichts der übermächtigen Lebensleistung von Vater und Grossvater durchaus nachvollziehbar.
Frey, ist zu hören, will seinen Kindern überlassen, wie sie ihre späteren Funktionen in der Gruppe definieren möchten. Beobachter halten für möglich, dass CEO Gerhard Schürmann in dieser Phase eine koordinierende Rolle übernehmen könnte. Zumal er auch im Verwaltungsrat sitzt, der ansonsten mit Familie und branchenfremden Vertrauten wie Rolf Dörig und Urs Lauffer besetzt ist.
Kathrin kümmert sich aktuell um Human Resources und Führungskräftenachwuchs, vernetzt dazu die Ländergesellschaften, entwickelt Best-Practice-Modelle. Lorenz leitet den Rennstall der Gruppe, führt diverse Projekte, hält Verwaltungsratsmandate bei Tochterfirmen und ist bei Übernahmen dabei, etwa als 2022 Mercedes Griechenland zu Frey stiess. Er gilt auch als begabter Autoschrauber, soll sogar schweissen können.
Walter Freys drittes Kind, Nora, eine Top-Leichtathletin, arbeitet als Sportlehrerin. Zuletzt mehrten sich Gerüchte, auch Nora überlege sich, in der Familienfirma mitzuarbeiten. Kathrin hat zwei Kinder, Lorenz eines, Nora seit wenigen Wochen eine Tochter – Walter Frey kann sich heute über vier Enkelkinder freuen.